Stürmisches Wiedersehen auf Maynard Manor (German Edition)
nachdenken.
„Es gibt also wieder einen Geburtstagsball.“ Mrs Thursgood schnaufte verächtlich. „Wenn du mich fragst, wird das nur Ärger bringen. Wer wohl diesmal mit jemandem weglaufen wird, von dem er besser die Finger lassen sollte?“
Mit ausdrucksloser Miene legte Chloé ihren Brief auf die Waage. „Porto für Frankreich, bitte.“
„Nach Frankreich?“ Mrs Thursgood schob sich die Brille zurecht. „Hast du da eine Stelle gefunden.“
„Nein, eine Freundin von mir arbeitet an der Riviera.“ Auch wenn dich das nichts angeht, du alte Schreckschraube, fügte Chloé in Gedanken hinzu. Allerdings wollte sie lieber ausgefragt werden, als über den Geburtstagsball zu sprechen.
Doch darauf brauchte sie wohl nicht zu hoffen. Sofort legte Mrs Thursgood los: „Darius Maynard war ja ziemlich lange in London. Bestimmt fährt er immer hin und her, weil er dort seine Freundin versteckt hält.“
Chloé biss sich heftig auf die Lippe und zwang sich, lieber an ihre Freundin Tanya zu denken, von der sie zwei Tage zuvor eine Postkarte bekommen hatte. Die Armstrongs einschließlich ihrer Sprösslinge schienen sie schon halb um den Verstand gebracht zu haben.
Chloé hatte versucht, sie in ihrem Brief aufzumuntern, doch es war ihr sehr schwergefallen, fröhlich zu klingen und dabei bestimmte Dinge auszusparen – zum Beispiel das Abendessen auf dem Anwesen der Maynards am nächsten Tag, zu dem möglicherweise auch Darius kommen würde.
Hier herrscht ziemlicher Trubel, hatte sie geschrieben. Wenn sich alles ein wenig beruhigt hat, werden Ian und ich gemeinsam ein Datum für die Hochzeit festlegen.
Aber stimmte das wirklich? Sie trafen sich jede Woche ein paar Mal, doch ihre Beziehung schien sich nicht weiterzuentwickeln, und das beunruhigte Chloé. Ian hatte sie auch noch immer nicht zu sich nach Hause eingeladen. Doch aus irgendeinem Grund zögerte sie, ihre Sorgen Tanya anzuvertrauen und niederzuschreiben.
Eine Ehe soll ja ein Leben lang halten, rief sie sich in Erinnerung. Ians Verhalten und seine Zurückhaltung waren also nur vernünftig. Aber bald, wenn er keinen Bereitschaftsdienst hatte, nicht bei einer Besprechung war oder Squash spielte, würde sie die Initiative ergreifen und – ausgerüstet mit Steaks und Wein – zu ihm fahren.
„Wie ich höre, steht euer Haus bald zum Verkauf“, riss Mrs Thursgood sie aus ihren Gedanken. „Dann wirst du ja wohl auch wegziehen.“
„Ich habe noch viel Zeit, um Pläne zu schmieden“, erwiderte Chloé gelassen, legte das Geld für das Porto auf den Schalter und ging hinaus.
Draußen atmete sie tief durch. Bei jedem Besuch im Postamt wurde sie aufs Neue von Mrs Thursgood in die Mangel genommen. Wie schön wäre es, wenn sie der Großinquisitorin von Willowford ihren Verlobungsring unter die Nase halten und ihr sagen könnte, sie habe keinesfalls vor, wegzuziehen …
Eigentlich hatte Chloé zu den Ställen fahren und Orion Bewegung verschaffen wollen, wie sie es seit Darius’ Abreise vor zehn Tagen täglich getan hatte. Doch Mrs Thursgoods Bemerkung zu den Beweggründen für seine Reise nach London waren ihr unerwartet nahegegangen. Dabei hatte Chloé sich doch immer wieder daran erinnert, wie erleichtert sie über seine Abwesenheit war. Aus den Augen, aus dem Sinn. Aber der Gedankte an das, was Darius wohl tat, schmerzte sie sehr.
Es geht mich nicht das Geringste an, was er tut, rief sie sich energisch in Erinnerung. Und wenn sich jemand durch sein Verhalten verletzt fühlen sollte, dann sicher nicht ich.
Während der letzten Tage – beim Einkaufen oder beim Spaziergang mit Flare – hatte sie immer wieder Lindsay Watson gesehen, mit gesenktem Kopf und tief in Gedanken. Vermutlich lag das daran, dass es Sir Gregory von Tag zu Tag besser ging, sodass er bald nicht mehr rund um die Uhr versorgt werden musste und Lindsay sich eine neue Stelle würde suchen müssen. Wenn sie sich also tatsächlich Darius als künftigen Ehemann angeln wollte, dann lief ihr langsam die Zeit davon. Doch es gelang Chloé nicht, Mitgefühl mit ihr zu haben.
Bei den Ställen angekommen, stand Samson zu ihrer Überraschung draußen, gesattelt und gezäumt – und fest angebunden, was ihm offensichtlich gar nicht gefiel: Unruhig zuckte er mit dem Kopf.
„Soll ich heute ihn reiten?“, fragte Chloé mit klopfendem Herzen, denn das wilde, prachtvolle Pferd war für sie auch eine Herausforderung.
„Auf gar keinen Fall.“ Arthurs Ton war unmissverständlich. „Mr Darius hat
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