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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Telefonleitung durchgeschnitten«, sagte Villatoro.
    »Nimm dein Handy«, sagte Jess zu Hearne.
    »Ich hab keins«, antwortete Hearne. »Es liegt im Wald vor Swanns Haus.«
    »Was ist mit Ihnen?«, fragte Jess Villatoro.
    Der zuckte die Achseln. »Meins hat hier oben von Anfang an nicht funktioniert. Bin beim falschen Telefonunternehmen.«
    »Dann sitzen wir also in der Falle, ohne Möglichkeit, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen«, sagte Jess mit tonloser Stimme. »Ich habe schon bessere Tage gesehen.«
    Mitten im Satz ging das Licht aus. Aus dem Wohnzimmer hörte Jess Annie schreien.

Vierter Tag
    Montag
    Fast nie wird ein verabscheuenswürdiger Zustand gewaltsam
überwunden, doch wenn die Zustände sich bessern, können
die Menschen freier atmen, nachdenken, sich austauschen
und anhand ihrer gegenwärtigen Lage das Ausmaß ihrer
Rechte und Leiden einschätzen. Die Last, wenngleich weniger
schwer, erscheint ihnen nur umso unerträglicher.
     
Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, 1835

Montag, 1.24 Uhr
    Jess betrat das Haus mit zwei Gaslaternen, die er aus der Scheune geholt hatte. Er stellte eine auf den Tisch und hielt die andere in Schulterhöhe, um die Gesichter der anderen sehen zu können. Monica Taylor hatte William und Annie an sich gedrückt. Hearne saß am Tisch. Hinter ihm stand Villatoro mit der Schrotflinte in der Hand.
    »Kannst du dich noch im Sattel halten?«, fragte er Hearne.
    »Ich habe nichts verlernt.«
    Jess nickte. »Dann reitest du auf Chile in die Stadt. Sie ist noch gesattelt, und so musst du nicht die Straße nehmen. Eventuell schaffst du es, vor dem Morgengrauen bei Sheriff Carey zu sein. Vielleicht kannst du ihn überzeugen, seine Männer zusammenzuscharen und mit ihnen zur Ranch zu kommen.«
    Hearne nickte, ging zum Waffenschrank und zog die nächste Schrotflinte heraus. »Kann ich die mitnehmen?«
    »Ja.«
    Jess wandte sich Villatoro und den Taylors zu. »Ich werde nicht weglaufen. Dies ist meine Ranch, ich kenne jeden Zentimeter Boden. Ich werde wissen, wann sie kommen, denn mit dem Auto gibt es nur einen Weg.«
    Niemand sagte ein Wort. Sie warteten, ob er etwas hinzuzufügen hatte.
    »Im Gegensatz zu ihnen kenne ich mich hier bestens
aus«, fuhr er fort. »Das ist mein einziger Vorteil. Wir werden unseren Mann stehen. Keine Sorge, ich habe mich mein ganzes Leben lang darauf vorbereitet.«
    »Aber Sie sind alt«, sagte Annie besorgt. Jess hatte gar nicht bemerkt, dass sie im Raum war.
    »Annie!«, mahnte ihre Mutter
    »Lassen Sie nur.« Jess lachte. »Vermutlich hat sie recht.«
     
    Während Jess den Flankengurt anzog und die Steigbügel für Hearnes kürzere Beine einstellte, sagte der: »Lass uns einen Pakt schließen, Jess.«
    Nachdem Jess seine Handgriffe erledigt hatte, drehte er sich um.
    »Für den Fall, dass ich nicht durchkomme«, sagte Hearne, »musst du mir versprechen, dich um Monica zu kümmern. Und um Annie und William.«
    Jess versuchte ohne Erfolg, Hearnes Gedanken zu lesen. Aber seine Miene wirkte entschlossen.
    »Falls dir hier etwas zustößt, kümmere ich mich um sie«, sagte Hearne.
    »Willst du mir etwas Bestimmtes zu verstehen geben?«, fragte Jess.
    »Ich meine es ernst, das ist alles, Jess.«
    »Okay«, sagte Jess nach kurzem Nachdenken. An dem Pakt gab es nichts auszusetzen. Er streckte die Hand aus, und Hearne schüttelte sie.
    »Noch eines«, sagte Jess. »Vertrau darauf, dass dein Pferd in der Dunkelheit den Weg findet.«
     
    Jess stand mit Villatoro auf der Veranda und beobachtete,
wie Jim Hearne auf Chile in der Finsternis verschwand. Nach und nach wurden die Hufschläge leiser.
    Er reichte Villatoro die Pistole, die er Swann abgenommen hatte. »Mit Handfeuerwaffen kennen Sie sich wahrscheinlich besser aus als ich.«
    »Ich habe noch nie auf jemanden geschossen«, sagte Villatoro.
    »Sie können es nicht, oder es war nicht nötig?«
    »Letzteres.«
    »Also können Sie mit dem Ding umgehen, wenn’s sein muss?«
    »Selbstverständlich«, antwortete Villatoro ohne jedes Zögern. »Ja, ich bin bereit. Vorhin habe ich mir geschworen, beim nächsten Mal zu kämpfen, wenn ich lebend davonkomme.«
    Jess legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sehr gut.«
    »Meine Frau wird mir das nie abnehmen«, sagte Villatoro. »In all den Jahren bei der Polizei hat nie jemand eine Waffe auf mich gerichtet. Ich habe mich immer gefragt, wie ich mich in diesem Fall verhalten würde. Jetzt weiß ich es. Ich habe einfach nur dagestanden und auf das Ende

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