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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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hat immer gemeint, ich hätte Probleme mit dem Reden«, sagte er unbeholfen.
    Gerührt griff sie wieder nach seinem Arm. »Tut mir leid, wenn ich etwas Falsches gesagt habe. Besonders nach allem, das Sie für uns getan haben. Dass ich wieder mit meinen Kindern zusammen bin, habe ich Ihnen zu verdanken. Sie müssen nicht reden.«
    »Es macht mir nichts aus, mit Ihnen zu reden«, antwortete er mit gerötetem Gesicht. »Das Problem ist nur, dass ich nicht die richtigen Worte finde.«
    Es dauerte noch ein paar Augenblicke, bis sie genügend Mut gesammelt hatte, um das zu sagen, was ihr eigentlich am Herzen lag. Aber er schaute sie mit einem offenen Blick an, und das machte alles leichter. »Es gibt da etwas, das Sie wissen sollten«, begann sie. »Mir ist bewusst, welche Gerüchte während vieler Jahre über mich im Umlauf waren, und ich möchte einiges klarstellen. Vor dreizehn Jahren« - er schaute sie irritiert an, als er die Zahl hörte - »war ich siebzehn, und ich hielt mich für eine ziemlich scharfe kleine Braut. Tatsächlich war ich eine scharfe kleine Braut. Ich konnte gar nicht schnell genug erwachsen werden. Einmal fuhr ich an einem Freitagabend mit drei Freunden nach Spokane, wo wir auf dem Campus der Universität zur Party einer Studentenverbindung eingeladen waren. Zu der Zeit klang das ungeheuer aufregend. Boys vom College, Sie wissen schon.«
    Jess nickte. Es war unübersehbar, dass ihn das alles bisher nicht sonderlich interessierte, aber er war zu höflich, um ihr ins Wort zu fallen, und hatte vor, ihr weiter zuzuhören.
    »Kurz nach unserer Ankunft verlor ich meine Freunde
aus den Augen, und obwohl ich eine scharfe kleine Braut war, fühlte ich mich ein bisschen verängstigt, weil alle älter waren. Die Leute um mich herum kannten sich alle und tranken viel Alkohol. Ich selbst habe in dieser Nacht viel zu viel getrunken. Glücklicherweise war unter den Gästen ein Junge, den ich erkannte, ein Junge hier aus der Gegend. Obwohl wir uns wirklich nicht besonders gut kannten - er war drei Jahre älter als ich -, war es großartig, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Und er war ein sehr netter Junge. Sehr freundlich, sehr attraktiv, intelligent. Es war ein aufregender Abend. Ich wollte meine dummen Freunde finden und ihnen imponieren, verstehen Sie? Also sagte er, er würde mich durch das Haus der Studentenverbindung führen. Als wir sie dort nicht fanden, haben wir eine Party nach der anderen auf dem Campus besucht, bis wir sie endlich entdeckten.«
    Sie sah, wie Jess den Kopf schüttelte, wahrscheinlich eher unbewusst. Wollte er seine Missbilligung zum Ausdruck bringen?
    »Ich war total verknallt und wollte ihn haben. Abgesehen von meinem Vater war er der charismatischste Mann, der mir je begegnet war. Wenn er einen Raum betrat, zog er alle in seinen Bann. Ich begehrte ihn und habe es ihm gesagt. Einem solchen Angebot kann kein Junge vom College widerstehen, glauben Sie’s mir. Die nächsten beiden Tage verbrachten wir in seinem Zimmer. Es war traumhaft. Man musste ihn nur ansehen und wusste, dass mit diesem Jungen etwas Entscheidendes passieren würde - fast so, als würde er an einer Schwelle stehen. Später habe ich herausgefunden, was es war, doch zu diesem Zeitpunkt habe ich es
nicht erkannt. Ich glaube nicht, dass andere klarsichtiger waren. Irgendwann tauchten meine Freunde wieder auf, und sie mussten mich praktisch mit Gewalt nach Kootenai Bay zurückbringen. Da ich ihn wiedersehen wollte, rief ich an. Ich hatte höllische Angst, dass er auf mein ›Hier ist Monica‹ bloß mit einem ›Wer?‹ antworten würde. Als ich in seinem Studentenwohnheim anrief, bekam ich ausweichende Antworten. Man ließ mich wissen, er sei nicht mehr da, ohne mir zu sagen, wie ich ihn erreichen konnte. Es war seltsam. Zuerst glaubte ich, sie wüssten, wer ich bin, und dass sie ihn abschirmen sollten, doch das erschien mir nicht besonders plausibel. Dann dachte ich, die Jungs von der Studentenverbindung wären sauer auf ihn. Ich vermutete, er könnte zu einer anderen Verbindung gewechselt sein, und dass sie es vielleicht nicht zugeben wollten. Ich begann, mir Sorgen zu machen, rief den einzigen Freund an, der mir immer geholfen hat, und gestand ihm meine Angst, dass diesem Jungen etwas passiert sein könnte. Wir fuhren nach Spokane und dort fand ich heraus, dass er krank geworden war, psychisch krank, in der Woche zuvor einen ernsthaften Zusammenbruch erlitten hatte und eingewiesen worden war.«
    Jess starrte sie mit

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