Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
zu sehen, wie Wut und Verwirrung Singers Gesichtszüge verzerrten. Aber er unterdrückte seinen Wunsch.
    Singer hatte einen Frequenzscanner unter dem Armaturenbrett befestigt. Meistens herrschte Funkstille, es war nichts los in der Stadt. Gelegentlich gab ein Polizist das Ende
seiner Schicht durch, einmal wurde das Kennzeichen eines vor einer Bar stehen gelassenen Autos überprüft. Singer erzählte Newkirk, er habe sich Sorgen gemacht, der Sheriff könne am nächsten Morgen seine Männer zusammentrommeln wollen, aber sie hatten nichts von ihm gehört. Offenbar wartete Carey nur noch auf die Ankunft der Männer vom FBI. Er würde sie kurz über Monica Taylor und ihre verschwundenen Kinder informieren und ihnen dann den Fall übergeben. Es war ein großer Sieg für sie, dass es Singer gelungen war, den Sheriff zu überreden, so lange mit dieser Entscheidung zu warten.
    Neben Singer und Newkirk lag eine detaillierte topographische Karte auf dem Sitz, darauf ein leise gestelltes Funkgerät des gleichen Typs, wie es auch Gonzales dabeihatte. Singers Handy war eingeschaltet, piepte aber nicht.
    Newkirk wusste nicht, was Singer wirklich dachte. Sein Plan war einfach: Strom- und Telefonleitungen kappen und am Tor darauf warten, dass Rawlins zu ihnen kam. Wenn er auftauchte und aus seinem Pick-up stieg, um das Schloss an der Kette aufzuschließen, würden sie ihn niedermähen. Dann würden sie sich - mit Rawlins’ Gewehr - um die Taylors kümmern und alles so aussehen lassen, dass der Rancher als Täter erschien. Er, Newkirk, würde den UPS-Lieferwagen holen und ihn in der Scheune der Ranch abstellen. Damit gab es eine Verbindung zwischen Boyd und Rawlins - zwei Pädophile, von denen einer die Kinder gekidnappt und sie dem anderen übergeben hatte, der sie missbrauchte und anschließend ermordete. Das passte zu Fiona Pritzles Theorie, auch wenn deren Vorstellungen wohl etwas weniger drastisch waren. Wenn alles vorbei war, mussten
sie nur noch beim Sheriff anrufen und sagen: »Es ging alles so schnell, uns blieb keine andere Wahl, als das Feuer zu erwidern.«
    Aber der Rancher kam nicht. Newkirk wusste, dass er Villatoro bei sich hatte, was die Dinge verkomplizieren konnte. Singer hatte davon keine Ahnung. Newkirk war nicht entgangen, dass Singer im Laufe der Nacht immer häufiger auf die Uhr schaute, aber wenn er beunruhigt war, ließ er es sich nicht anmerken. Er ließ sich nie etwas anmerken.
    Als das Funkgerät knisterte, zuckte Newkirk zusammen, und der pochende Kopfschmerz meldete sich zurück.
    Singer griff nach dem Gerät. »Bist du’s, Gonzo?«
    »Ja, ich bin gleich am Tor. Pass auf, dass Newkirk mich nicht abknallt.«
    Einen Augenblick später sah Newkirk eine schemenhafte Gestalt aus dem dichten Wald treten. Etwas Sternenlicht fiel auf den Lauf von Gonzos Gewehr, als er zwischen zwei Stacheldrahtsträngen durch den Zaun schlüpfte. Dann stand er vor dem offenen Fenster auf Singers Seite.
    »Ich bin am Zaun entlanggelaufen und dabei über diesen Bankdirektor gestolpert«, sagte er. »Was immer er da wollte, er hat mir einen ganz schönen Schreck eingejagt. Ich hab gedacht, es wäre Rawlins, der auf dem Gaul flüchten wollte. Wie auch immer, der Banker wird uns keine Scherereien mehr machen.«
    »Mein Gott«, stammelte Newkirk.
    Gonzo lächelte und entblößte bläulich im Mondlicht schimmernde Zähne. »Eine Kugel, und er war erledigt. Das Pferd ist weggerannt. Ich nehme nicht an, dass ihr den Schuss gehört habt?«

    »Haben wir«, sagte Singer geistesabwesend. Dann: »Damit habe ich nicht gerechnet. Dass Hearne hier war. Wie erklären wir uns das?«
    Gonzales zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Irgendwas Unvorhergesehenes passiert immer.«
    Und es war nicht die letzte Überraschung, dachte Newkirk.
    »Ich bin die Straße so weit hinabgegangen, bis ich das Haus sehen konnte«, sagte Gonzales bedächtig. »Einmal dachte ich, ich sehe ein Licht durch ein Fenster, doch als ich durchs Zielfernrohr geschaut habe, ist mir nichts aufgefallen. Das Haus liegt dunkel und still da.«
    »Ist Rawlins’ Pick-up da?«
    Gonzales nickte. »Steht vor der Tür, er muss da sein. Aber da parkt noch ein Auto. Vermutlich das unseres Bankdirektors.«
    »Vielleicht schlafen sie«, sagte Newkirk heiser. »Wer weiß, eventuell haben sie gar nicht bemerkt, dass sie keinen Strom haben. Und vielleicht sind die Taylors gar nicht da.«
    Singer und Gonzales blickten ihn herablassend an, ohne seine Äußerung eines Kommentars zu würdigen.

Weitere Kostenlose Bücher