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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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kompliziertes Manöver, das Pferde manchmal verängstigte, weil sie den Draht für Wasser hielten und springen zu müssen glaubten.
    Kurz darauf lag eine vom Sternenlicht beschienene Lichtung vor ihm. Der Himmel hatte aufgeklart. Er konnte weiter sehen, erblickte aber immer noch kein Tor.
    Er studierte den Verlauf des Zaunes so eingehend, dass ihm fast etwas entgangen wäre. Die Geräusche des Waldes waren verstummt, nun waren nur noch die leisen Hufschläge des Pferdes und das Knarren des Ledersattels zu hören.
Chile schaute aufmerksam nach vorn, mit aufgestellten Ohren. Ihre Nüstern bebten, als wollte sie wiehern.
    Über ihm, in dem finsteren Wald auf der anderen Seite der Weide, brach ein Zweig.
    Hearne zog die Zügel an, das Pferd blieb stehen. Er saß reglos im Sattel und versuchte, mit den Augen das Dunkel zwischen den Bäumen zu durchdringen.
    Der Zaun geht weiter bis zur Straße, dachte er. Wenn jemand die Grenze des Grundstücks der Ranch abschreitet, orientiert er sich wahrscheinlich an dem Zaun.
    »Kann ich irgendwie helfen, Mister?« Die Stimme kam aus dem Wald.
    Sie war tief, die Aussprache hatte einen mexikanischen Akzent.
    Hearne erstarrte. Die Schrotflinte steckte in dem Futteral unter seinem rechten Bein, der Kolben ragte heraus. Er lehnte sich im Sattel zurück, ließ die rechte Hand sinken. Seine Finger ertasteten das Gewehr.
    Chile bockte, als eine dunkle Silhouette zwischen den Bäumen auftauchte. Die Bewegung kam überraschend, und während Hearne versuchte, sich im Sattel zu halten, blendete ihn das grelle Licht einer Taschenlampe. Dann erfolgte ein metallisches Klicken. Den Schuss selbst hörte er nicht mehr.

Montag, 4.08 Uhr
    Als die Wolkendecke aufbrach und den Blick auf helle Sterne freigab, spürte Newkirk an seinen Kopfschmerzen einen Kater gigantischen Ausmaßes. Sein Mund war trocken und schmeckte nach Whiskey und Gonzales’ Daumen. Er war hundemüde, seine Augen brannten. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass Gonzo schon seit Stunden weg war.
    Er saß mit Singer in dem weißen Geländewagen, der zwischen Bäumen geparkt war, direkt gegenüber dem verschlossenen Tor von Rawlins’ Ranch. Die Scheinwerfer waren ausgeschaltet, die Fenster offen. Sie waren weit genug von der Straße entfernt, um nicht gesehen zu werden, wenn ein Autofahrer vorbeikam. Bevor Gonzales verschwunden war, um sich an der Ranch umzusehen, hatte er sein Fahrzeug neben Singers Geländewagen geparkt. In dem Pick-up saß Swann, schlafend. Als er unerwartet in seinem Haus aufgetaucht war, nach Antiseptika, Blut und Panik stinkend, hatte sie das alle konsterniert. Die Wunden in seinem Gesicht waren genäht, er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Newkirk dachte, es wäre besser gewesen, wenn er im Krankenhaus geblieben wäre, denn bei seinem Anblick wurde einem ganz übel. Aber Singer hatte sein Verhalten als Loyalitätsbeweis zu schätzen gewusst und ihm auf die Schulter geklopft. Doch jetzt schlief er und war Newkirks Meinung nach nutzlos.
    Bevor er in Singers Fahrzeug gestiegen war, hatte er den UPS-Lieferwagen tief im Wald an einem Holzfällerweg abgestellt, zehn Minuten vom Tor der Ranch entfernt. Er hatte
keine Ahnung, warum Singer darauf bestanden hatte, vermutete aber, es bald herauszufinden.
    Gonzales hatte ein Funkgerät und eine Winchester mit Zielfernrohr mitgenommen, Kaliber.308. Über ihnen, auf den im leichten Nordwind schwankenden Zweigen, hingen die Strom- und Telefonleitungen, die Gonzo vor ein paar Stunden gekappt hatte. Wie Newkirk hatte auch Singer einmal geglaubt, aus der Ferne das gedämpfte Geräusch eines Schusses gehört zu haben, doch es folgte kein zweiter mehr, der ihre Vermutung bestätigen konnte. Singer hatte versucht, Gonzo über Funk zu erreichen, doch er antwortete nicht. Wahrscheinlich hatte er sein Gerät abgeschaltet. Folglich blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten.
    Newkirk rutschte ein Stück zur Seite und stöhnte unwillkürlich. Das Pochen in seinem Kopf erinnerte an das Getrommel einer Marschkapelle. Singer schaute ihn an und verzog leicht angewidert das Gesicht. Er mochte es nicht, wenn einer seiner Männer Schwäche zeigte.
    »Wirst du es schaffen?«, fragte er.
    »Mir geht’s gut«, versicherte Newkirk.
    »Du musst durchhalten. Trink Wasser.«
    »Gute Idee.« Newkirk griff nach einer Feldflasche. Er musste gegen das verrückte Bedürfnis ankämpfen, Singer zu gestehen, dass er Villatoro nicht getötet, sondern dem Rancher überlassen hatte. Einfach so, bloß um

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