Stummer Zorn
richtigen Augenblick gewartet, weil ich dachte, sie brauchte ein bißchen Luft zum Atmen. Dieser Bastard Richard drängte sich dazwischen und hat sie vor meinen Augen im Handumdrehen für sich gewonnen. Ich schwor mir damals, mich auf die nächste sich bietende Gelegenheit mit vollem Eifer zu stürzen, und das habe ich getan — und bin klebengeblieben." Er sah entnervend entschlossen aus.
Mimis geschundenes Ego machte sie momentan zu einer recht leicht zu beeindruckenden Frau. Ich hoffte, Charles Seward war der richtige Mann für sie — denn aufgrund seines Aussehens und seiner schmeichelhaften Entschlossenheit hielt ich Mimi für potentiell verloren.
Charles grinste mich plötzlich an, und ich zwinkerte. Wenn er nicht so sehr auf Mimi fixiert gewesen wäre ... ja, ich konnte die Anziehungskraft des jungen Anwalts durchaus nach vollziehen. „Na ja. Nächste Frage: Sind sie in Knolls geboren?" erkundigte ich mich.
„Geboren und aufgewachsen. Gute Familie: Vater, Mutter, zwei Schwestern, die mit guten Männern verheiratet sind. Jura studiert, mich der Firma meines Vaters angeschlossen. Alles in trockenen Tüchern. Jetzt ist alles, was mir fehlt, eine Frau wie Mimi." Also das war mal eine Festlegung. Die Houghton-Kinder schienen so etwas anzuziehen, dachte ich. Ich warf unabsichtlich einen Blick quer durch den Raum zu Cully,
„Viel Glück", sagte ich. Ich wußte nicht, ob ich es meinte odet nicht. Wenigstens kam Charles Seward aus Mimis Welt — ein Plus. Er verabschiedete sich von mir und tauchte in der Menge unter, sicher auf der Suche nach Mimi.
Rar machen.
Ich sah ihm gedankenverloren nach und wünschte mir ein volles Weinglas. „Was hältst du von ihm?" fragte eine Stimme irgendwo über meinem Kopf. Cully stand sehr dicht hinter mir. Wie war er so schnell hier rübergekommen? Er gab mir ein volles Glas und nahm das leere. Er mußte für seinen Doktortitel einen Kurs im Gedankenlesen besucht haben.
„Ich glaube, er hat Chancen", sagte ich nüchtern. „Magst du Ihn?"
„Geht so. Er ist mir ein bißchen zu herzlich. Ich war von Mimis bisherigen Ehemännern nicht beeindruckt ... Charles ist um einiges besser als Richard oder Gerald. Mimi mochte meine Frau auch nicht londerlich. Scheint ein Muster zu sein."
Es war Glück, daß jemand an der Bar nach Cullys Rückkehr johlte, da ich keine Ahnung hatte, was ich erwidern sollte. Ich hatte allerdings den Mund schon geöffnet, um es zu versuchen, und es war keine vergebliche Liebesmüh'. Alicia Merrit flatterte zu mir herüber, und wir kreischten einander eine Weile an. Ich bekam auch die Gelegenheit, ihren Mann Ray, an den ich mich dunkel als den jungen erinnerte, der Alicia jede Nacht per Ferngespräch angerufen hatte, während wir in Miss Beachams waren, kennenzulernen.
Ray hatte einen hellen Teint, rotblondes Haar und war von der soliden Sorte: Alicias Briefbeschwerer, dachte ich, beflügelt vom Wein. Er schien nicht übermäßig erfreut darüber, mich zu sehen. Ich erinnerte mich, daß er immer jemand gewesen war, der den Andersgearteten mißtraute.
Nachdem sich die Merrits dem Kreis um Jeff Simmons angeschlossen hatten, nahm ich meinen Rundgang wieder auf und ging von Zeit zu Zeit über den Flur in die Küche, um mehr Knabbereien zu holen.
Ungefähr gegen Mitternacht schien sich die Feier langsam aufzulösen.
Zeit für die Babysitter, nach Hause zu gehen, nahm ich an. Cully hatte seinen Posten verlassen, um mit seinem Vater und Ray Merrit zu reden. Ein ziemlich junger, unverheirateter Lehrer vom College umgarnte Elaine. Mimis rotes Kleid war nicht schwer zu entdecken; Charles Seward hing zu meiner Überraschung nicht wie eine Klette an ihr. Als wir uns zufällig in der Küche über den Weg liefen, erzählte mir Mimi fast schon stolz, er habe das ganze Wochenende an einer Gerichtsverhandlung am Montag gearbeitet und sei gegangen, um sich wieder in seine Vorbereitungen zu vertiefen; demnach entschuldigte ich Charles Zuspätkommen in Gedanken. Stan und Barbara verabschiedeten sich leicht beschwipst, und es sah aus, als seien Theo und Sarah Chase Cochran schon gegangen. Ich hatte es nicht in ihre Ecke geschafft, um Theos Frau kennenzulernen, und rügte mich dafür. Wahrend ich die übriggebliebenen Gäste musterte, sah ich, wie sich Elaine ordnungsgemäß von dem jungen Lehrer löste und Don einsammelte.
Meine Gesichtsmuskulatur schmerzte vom Gastgeberinnenlächeln. Ich rieb mir die Wangen, als ich verstohlen jeden Winkel des Hauses überprüfte und
Weitere Kostenlose Bücher