Stummer Zorn
ihrem schweren Dialekt gewürzt waren.
„Ich hoffe, ihr habt ein Bier im Kühlschrank, um mich dafür zu entschädigen!" keuchte sie, nachdem die Matratzenfedern der Matratze in den Garten gefolgt waten.
„Klar", sagte ich. „Wir haben noch zwei Sechserpacks von der Party." Ich ächzte in die Küche und verharrte steif gebeugt, um einen Blick in den Kühlschrank zu werfen. Die blauen Flecken an meinem Körper und in meinem Gesicht nahmen jetzt, da die meisten von Ihnen fast verheilt waten, ein blasseres, aber breiteres Spektrum an Farben an. Ich hatte alle Farbtöne eines kranken Regenbogens. Die tiefsten Rißwunden waren immer noch verschorft, eine gesunde, aber häßliche Entwicklung.
Es war ein milder früher Novembertag. Die Sonne, die am blauen Himmel strahlte, war ein Segen, kein Fluch wie im Hochsommer.
Die Blätter verfärbten sich auf halbherzig-südstaatliche Weise; ein leichter Wind wehte sie von den Eichen.
Es lagen Frieden und Ruhe in diesem Tag. Ich glaube, wir alle spürten das, als wir auf der Veranda saßen und unser Bier tranken.
„Wird Cully seine Privatpatienten hier empfangen, Mimi?" fragte Alicia beiläufig.
„Nein, in seiner Wohnung."
„Gut. Ihr wollt nicht, daß diese Leute hier ein- und ausgehen. Ich schätze, es war einer von ihnen, der Nickie das angetan hat." Alicia drehte den Kopf zu meinen blauen Flecken.
Mimis Blick traf meinen, der ebenso verwundert war wie ihrer. „Wie kommst du darauf?"
„Oh, es ist ganz klar", sagte sie ruhig. „Jeder Ihr-wißt-schon, der so etwas tun kann" - und sie schlug die mit einer teuren Hose bekleideten Beine eng übereinander -, „muß krank im Kopf sein."
Alicia blickte über den ruhigen Hinterhof hinweg, in dem Celeste so viele Stunden verbracht hatte. Die Rosen blühten noch, allerdings widerwillig und müde geworden. Mao stellte emsig einem roten Kardinal nach, der ihn nicht bemerkte. „Nicht, daß das eine Entschuldigung wäre. Man hört die ganze Zeit von Kriminellen mit vier oder fünf Verurteilungen, die in Null Komma nichts wieder auf freiem Fuß sind. Erinnert ihr euch an Cotton Meers, der freigelassen wurde um zu arbeiten, zwei Jahre nachdem er den Freund seiner Exfrau erschossen hatte? Aber wir — die Steuerzahler, die diese Richter bezahlen —, wir sind es, die hier draußen mit ihnen leben müssen. Wir zahlen immer wieder. Nicht sie, die Verbrecher. Oh nein, dasind krank und müssen behandelt werden. Pfui. Manche Menschen sind einfach böse. Böse geboren. Nicht krank — böse. Soll die Hölle sie heilen. Sie müssen weg. Wie tollwütige Hunde."
Ich hatte diese Haltung natürlich vorher schon gehört. So rückschrittlich sie auch klang, es lag doch eine Menge Wahrheit darin. Ich konnte nicht leugnen, daß der Mann, der mich vergewaltigt hatte, krank war; natürlich war er das. Jeder, der das einer wehrlosen Frau antat, die es absolut nicht wollte, war krank. Wollte ich, daß er behandelt wurde, rehabilitiert wurde, freikam? Betete ich, auch wenn er eindeutig krank und durch und durch schlecht war, möge er den
Weg zu Gott finden? Bestimmt nicht. Ich wollte, daß er Schmerzen hatte. Ich wollte, daß er litt. Wenn sich das nicht bewerkstelligen ließ, war ich gewillt, mich mit seinem bloßen Tod zufriedenzugeben. Nichts rief so zuverlässig instinktive Reaktionen hervor wie eine Begegnung aus erstet Hand mit Gewalt, dachte ich. Meine instinktive Reaktion war definitiv Auge um Auge, Zahn um Zahn. Gleichzeitig und mit dem Risiko, sogar mir selbst aufgeblasen vorzukommen, gestand ich ein, daß Selbstjustiz im großen Stil mein Land zugrunde richten würde.
„Wißt ihr", begann ich, nachdem Mimi drei weitere Biere geholt hatte, „ich frage mich, ob die Sorte Mann, die so etwas tut, je freiwillig nach Hilfe suchen würde. Ich für meinen Teil habe Zweifel, daß er unter Cullys Patienten ist. Vielleicht kann er vor sich selbst rechtfertigen, was er mit mir gemacht hat. Et muß es können." Ich dachte zum ersten Mal darüber nach. „Wie kann er sonst mit sich selbst leben?"
„Er hat höchstwahrscheinlich keinen Gedanken daran verschwendet", sagte Alicia angeekelt, „Verschwende deine Zeit bloß nicht damit zu versuchen, ein solches Tier zu verstehen. Außerdem habe ich zwei Zeitschriftenartikel darüber gelesen, die beide besagten, Vergewaltige! hätten die niedrigste Resozialisierungsrate aller Straffälligen in Behandlung, Tiere,"
Tiere vergewaltigen nicht - nur Männer tun das; aber ich beschloß, diesen Punkt zu
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