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Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Sofa. Barbara gab mir eine Zigarette und zündete sie an, Sie verzog das Gesicht.
    „Um Himmels willen", sagte ich wütend, „nicht weinen."
    „Keine von uns braucht das, ich weiß", sagte sie. Sie schluckte ein paarmal. „Gut. Glaubst du, es besteht eine Chance, daß sie ihn fassen?"
    „Minimal in meinem Fall. Keine Fingerabdrücke. Niemand hat irgendwas gesehen, ich am wenigsten von allen. Außer vielleicht Attila, der Kater. Es war zu finster."
    „Wie bei mir. Das erste, was mich die Polizei fragte, war ,Ist er schwarz?'", sagte Barbara grimmig.
    „Weiß. Das konnte ich an der Stimme erkennen."
    „Ich auch. Ich halte mich für so verdammt unvoreingenommen. Aber weißt du, das war die erste Angst, die ich hatte, als er mich schnappte. Ist es ein Schwarzer? Das rassistische Feindbild kommt wieder hoch." Sie brütete einen Moment darüber, während sie ihre Zigarette mit einer grausam knirschenden Bewegung ausmachte. „Was die Sache für mich zu einem Alptraum gemacht hat, ist, daß
    Stan es nicht geschafft hat, damit umzugehen. Ich habe ihn nicht außerhalb des Colleges gesehen, seit es passiert ist."
    In diesem Moment scherte ich mich einen feuchten Kehricht darum, wie Stan Haskell damit umging. Es machte mir Sorgen, wie ich damit umging.
    „Er kann damit nicht umgehen", fuhr Barbara fort. „Ich begreife sein Verhalten nicht. Er ist ein fürsorglicher Mann, er glaubt sicher an die Gleichstellung der Frauen, aber er kommt überhaupt nicht damit klar, daß ich vergewaltigt wurde."
    „Cully sagt, manche Männer schämcn sich einfach", antwortete ich.
    Dann fiel mir ein, daß er Barbara vermutlich betreute, daß er den Rat, den et mir gegeben hatte, aus seinen Erfahrungen mit ihr formuliert hatte.
    Es hatte eine Eintönigkeit in meiner Stimme gelegen, die zu Barbara durchgedrungen war. Sie errötete. „Du hast genug Probleme, ohne daß ich dir meine aufbürde", sagte sie.
    Ich merkte, daß ich es schon wieder tat. Ich schob sie von mir weg. „Barbara", sagte ich, „wir teilen etwas ziemlich Ungewöhnliches. Ich glaube, ich kann das so zu dir sagen. Vergiß Stan. Laß ihn allein erwachsen werden. Er ist nicht hart. Wir schon. Wir sind hier. Wir machen weiter. Nicht alle Männer sind wie er. Du hast etwas verloren, das ziemlich großartig gewesen sein muß. Aber wir sind hier, wir leben."
    Sie nahm wahr, was ich sagte, aber es stellte sie natürlich nicht zufrieden; ich hatte kein Recht gehabt anzunehmen, daß es das tun würde.
    „Jedenfalls", sagte sie schließlich, „könnte ich jetzt nicht mit ihm oder irgendwem ins Bett gehen. Vielleicht irgendwann in ferner Zukunft. Mit Vorsicht. Sehr viel Vorsicht."
    Das war keine meiner Hauptsorgen gewesen, da ich keinen Partner hatte. Aber ich fragte mich, wie das für mich werden würde.
    Wir waren ein paar Minuten in unseren eigenen Ängsten umhergeschweift, als Barbara sich zusammenriß, um mich zu fragen, wie es mir körperlich ging.
    „Keine Brüche. Morgen Zahnarzt - ich rechne mit vielen Terminen. Der Augenarzt sagte am Samstag, meine Augen hätten keinen bleibenden Schaden davongetragen, nur Schwellungen. Ich habe Verletzungen, bin steif, und mir tut alles weh. Aber ich werde darüber hinwegkommen. In erster Linie bin ich zornig. Barbara - haßt du?"
    Sie schnippte den Verschluß ihrer Tasche ein paarmal auf und zu. Sie rückte die Brille auf ihrer Stupsnase nach oben. Schließlich sah sie mich direkt an; ich sah etwas Unverhülltes hinter diesen Gläsern.
    „Zum ersten Mal in meinem Leben mache ich mir selbst Angst", sagte sie.
    „Ich weiß, wie du dich fühlst. Was können wir dagegen tun?"
    „Es muß etwas geben. Ich bin innerlich zerfetzt. Manchmal" -und sie schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr - „kann ich nicht glauben, daß ich gehen, reden, unterrichten und Leuten guten Morgen sagen kann ... und die ganze Zeit trage ich dieses schreckliche Geschwür in mir."
    „Wir können zusammenfassen, was wir wissen. Wir können denken, wir können Schlüsse ziehen."
    „Dafür ist die Polizei zuständig."
    „Es ist uns widerfahren."
    „Ich werde dir etwas sagen, das ich weiß, und wovon die Polizei meines Erachtens nicht viel hielt. Er kannte mich. Er wußte nicht nur meinen Vornamen. Er kannte mich."
    Ich hohe tief Luft. „Mich auch."
    „Nun gut", sagte Barbata mit einer Lebhaftigkeit, die sie die ganze Zeit nicht gezeigt hatte. „Wir tun es. Schreib den Namen jedes Mannes auf, den du kennst."
    „Ich werde eine Liste machen", sagte ich. Das

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