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Stunde der Klesh

Stunde der Klesh

Titel: Stunde der Klesh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. A. Foster
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können Sie dies alles wissen?“
    „Das läßt sich sehr einfach ableiten: Ich bin für Sie eine Fremde, gehöre einer anderen Rasse an, bin noch dazu weiblichen Geschlechts. Wenn Ihr Traum ein Wunschtraum gewesen wäre – wahrscheinlich hätten Sie ihn dann ohnehin schon vergessen –, hätten Sie ihn mir bestimmt nicht erzählt. Auch würden Sie keine Deutung verlangen, denn dann wüßten Sie die Bedeutung bereits.“
    „Da muß ich zustimmen. Übrigens, als ich die Haare als ‚rot’ bezeichnete, meinte ich nicht die Haarfarbe, wie man sie heute bei Menschen findet, sondern wie sie früher war. Ein leuchtendes Rot, nicht ein Kastanienrot, wie zum Beispiel bei Audiart. Das ist mir aufgefallen, deswegen erinnere ich mich auch noch daran.“
    Jetzt konzentrierte Flerdistar ihre volle Aufmerksamkeit auf Meure. Die Zerstreutheit, die eben noch in ihren Augen zu lesen war, schien nun wie ausgewischt zu sein. Meure fühlte sich entblößt, fast nackt. Durch die Kindhaftigkeit des Mädchens wurde dessen Konzentration noch spürbarer, sein volles Gewicht noch erdrückender; seine wäßrigen Augen und die schlanke Gestalt riefen Meure plötzlich die vielen Schauergeschichten, die über die Fremdartigkeit der Ler erzählt wurden, ins Gedächtnis zurück. Wenn sie erwachsen, ja schon alt und grau geworden waren, bewahrten sie doch den Gesichtsausdruck eines Kindes und viele seiner Tugenden; gleichzeitig sprach aus dem Gesichtsausdruck ihrer Kinder oft schon das Alter auf eine fremde, greisenhafte Weise.
    Sie sprach bedächtig: „Sie erinnern sich daran, weil Sie es waren, nicht weil er rote Haare hatte.“
    „Aber das versuche ich Ihnen doch zu erzählen“, entgegnete Meure. „Ich war es nicht! Mir kam der Traum gar nicht außergewöhnlich vor, bis ich in den Spiegel blickte und erkannte, daß dieser Mann nicht ich war.“
    Sie antwortete, noch immer ganz auf ihn konzentriert: „Aber das wußten Sie nicht, solange Sie nicht in den Spiegel gesehen hatten, hm?“
    „Tja, das … das alles war … äh, viel klarer, als ich es jemals in einem Traum erlebt habe, so als ob ich mich daran erinnern würde. Ja, eine Erinnerung.“
    „Wie war Ihr Name?“ fragte sie unvermittelt.
    „Er fällt mir nicht ein. Es liegt mir auf der Zunge. Ich kenne ihn und gleichzeitig wieder nicht. Eigentlich müßte ich mich daran erinnern, denn er schwebt über mir wie eine Drohung. Es ist ein einfacher Name, er hat eine Bedeutung. Das spüre ich; aber ich verstehe es nicht. Auf Tankred hat es nie Barbaren gegeben …“
    Flerdistar unterbrach Meure: „Mit Tankred hat Ihr Traum nichts zu tun. Ich kenne Tankreds Geschichte wahrscheinlich besser als Sie. Gerade wegen dieser Geschichte haben wir nämlich dort Leute angeworben und nicht etwa auf Lickrepent oder Okalinda.“ Sie seufzte, und ein Teil ihrer Aufmerksamkeit schien sich wieder anderen Dingen zuzuwenden. Schließlich sagte sie nachdenklich: „Die Menschen sind in den letzten paar tausend Standardjahren sehr ausgeglichen und normal geworden; es scheint, als hättet ihr die gleiche Immunität gegen die Geschichte entwickelt, die wir haben. Alle Leute führen ein geregeltes Leben und beenden es, ohne je ein Leid oder größere Aufregung verursacht zu haben. Die Zeit der großen Kriege, der Massenbewegungen und der Propheten ist endgültig vorbei. Tankred ist ein Produkt dieser neuen Zeit und noch ausgeglichener als die meisten anderen Welten.“
    Meure antwortete: „Aber das ist es doch, worum die Menschen sich in allen Zeiten bemüht haben. Die Ler haben sich immer beklagt, daß wir Menschen zu regellos lebten; jetzt, da wir zur Ruhe gekommen sind, ist das offenbar auch nicht in Ordnung.“
    Er war auf eine heftige Erwiderung, auf einen Verweis gefaßt, Flerdistar aber sprach mit einer freundlichen Zartheit, die er ihr gar nicht zugetraut hätte: „Ich wollte Sie nicht angreifen … Die Geschichte der Ler verlief in geregelten Bahnen, weil wir es so wollten. Wir sind ein bedachtsames Volk. Eine Geschichte ohne historische Ereignisse liegt in unserer Natur. Das aber gilt für euch ganz sicher nicht, und wenn die Geschichte der Menschen so glatt und ereignislos verläuft wie unsere, dann bringen wir andere Dinge damit in Zusammenhang. Ihr seid … irgendwie aus der Bahn geworfen. Frieden und Zufriedenheit habt ihr erreicht und bewahrt, aber eure Gesamtbevölkerung nimmt ab, und die Kolonialisierung des offenen Raumes habt ihr eingestellt.“
    „Ich weiß von diesen Dingen, sie sind

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