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Stunde der Vergeltung (German Edition)

Stunde der Vergeltung (German Edition)

Titel: Stunde der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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sinnlich, aber sein Lächeln war pure Versuchung. Sie hatte sich für immun gegenüber männlichen Verlockungen gehalten, warum also konnte sie nun den Blick nicht losreißen von den Grübchen in seinen Wangen, wenn er grinste, oder dem blendend weißen Kontrast seiner Zähne zu seiner dunklen Haut? Krieg dich wieder ein , Steele. Dein Verhalten ist nicht akzeptabel .
    Für einen reichen Unternehmensberater hatte sein Gesicht schon einiges einstecken müssen. Seine leicht schiefe Nase wies mehrere Höcker auf, er hatte eine bleiche, diagonale Narbe, die sich durch eine geschwungene dichte Braue zog, und subtilere Narben, die nur ein geschultes Auge erkennen würde, das die Resultate von plastischer Chirurgie einzuschätzen wusste. Und dann natürlich seine Hände. Er hatte Kämpfe ausgetragen in seinem Leben. Harte Kämpfe. Sein Selbstvertrauen deutete darauf hin, dass er öfter gewonnen als verloren hatte.
    Und was für ein Selbstvertrauen. Es besaß eine Strahlkraft, die menschliches Begreifen überstieg, und sandte seine Schallwellen auf einer Frequenz aus, die nur eine durchgeknallte Irre wie Tam mit ihrer grotesken, bewegten Vergangenheit empfangen konnte. Und doch waren sie so anders als die tödlichen Wellen, die die perversen Psychopathen ausgestrahlt hatten, in deren Dunstkreis zu geraten sie früher das Pech gehabt hatte – Psychopathen wie Novak, Georg Luksch, Drago Stengl. Deren Selbstvertrauen hatte sie vor Angst erschaudern lassen.
    Nicht so bei Janos. Bei ihm mischte sich die Gefahr mit verführerischer, raubtierhafter, männlicher sexueller Energie zu einem Cocktail, der sie auf jeder Ebene aus dem Gleichgewicht brachte. Unter der glatten Oberfläche des höflichen Gentlemans verbarg sich nichts anderes als die Botschaft, dass er sie von oben, unten, vorn und hinten nehmen wollte und dass es sich für sie lohnen würde.
    Daran zweifelte Tam nicht eine Sekunde. Aber sie würde nicht hinhören, auch wenn ihre Nerven vibrierten, ihre Haut prickelte, ihr Herz wummerte. Bleib mir vom Leib, Freundchen. Es ging hier rein ums Geschäft, und daran würde sich auch nichts ändern.
    »Sie sind nicht das, was Sie vorgeben zu sein«, sagte sie. »Sie flirten mit mir, sind charmant und unergründlich, Mr Janos, aber winzige Details verraten Sie. Ihre Hände sollten weich sein, da sie mit nichts Umgang haben, das schwerer ist als ein Stift oder eine Computermaus, aber Ihre sind vernarbt und schwielig. Und dann Ihr Gesicht. Ihre Nase wurde mehrfach gebrochen und nicht begradigt. Sie können das nicht auf den Kampfsportclub schieben. Wäre es beim Training passiert, warum sollte ein reicher, auf sein Image bedachter Geschäftsmann darauf verzichten, seine Nase richten zu lassen? Selbstverständlich würde er das nicht tun.«
    »Ich sah keinen Grund … «
    »Also ist es passiert, als Sie noch ein Junge waren«, fuhr sie unbeirrt fort. »Auch damals hat niemand Ihre Nase behandeln lassen, was auf Armut, Vernachlässigung oder beides hindeutet. Von Ihren Grundschwingungen ausgehend, stelle ich mir ein städtisches Umfeld vor. Und dann diese Narben in Ihrem Gesicht, diese winzige über Ihrer Lippe, die andere, die durch Ihre Braue verläuft, die auf Ihrer Stirn, die Sie fast gänzlich unter Ihrem Haar verbergen – es würde mich interessieren, welche anderen Narben Sie unter Ihrem eleganten Sechstausend-Euro-Anzug verstecken. Sie hatten Laserbehandlungen und Dermabrasionen, aber die Geister werden Sie trotzdem nicht los.«
    »Es freut mich, dass Ihnen mein Anzug gefällt«, kommentierte er.
    »Sie sind kein Junge vom Land«, fuhr Tam fort. »Gleichzeitig stammen Sie auch nicht aus Rom. Sie haben nicht den Akzent, der dort gesprochen wird. Ihr Italienisch weist zwar die römische Satzmelodie auf, doch in meinen Ohren klingt sie einstudiert und nicht wie die eines Einheimischen. Sie sind irgendwo anders, mit einer anderen Muttersprache aufgewachsen, und haben sich Ihr Italienisch erst später angeeignet. Und Sie hatten eine harte Kindheit. Eine sehr harte.«
    Regungslos starrte Val sie unverwandt an. Seine Augen waren wie schwarze, lichtundurchlässige Glassplitter. »Fahren Sie fort«, forderte er sie auf.
    Tam setzte die Teetasse ab, verschränkte die Finger und ließ ihren wilden Spekulationen weiter freien Lauf. Sie hatte das Gefühl, als glitte sie in einem Boot durch eine nachtdunkle Höhle der Mysterien, in der nur die Luftströme, die Echos und das Flattern ferner Fledermausflügel von ihrer wahren, gigantischen

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