Stunde der Wahrheit
bekommen. »Ich hätte es ahnen müssen. All die Jahre, die er mir versucht hat, das Leben zur Hölle zu machen, habe ich nicht einmal den Grund hinterfragt. Vielleicht steckte von Anfang an Liam dahinter.«
»Nicht ganz. Er hat gesagt, dass er wirklich eifersüchtig auf dich war, Liam ihn aber zusätzlich dazu gedrängt hat«, sagte Emma und öffnete die demolierte Haustür. Einen Fahrstuhl gab es nicht, also musste er sich die zwei Etagen hinaufschleppen, wobei sie ihn so gut es ging stützte.
»Und was jetzt?«, fragte sie, als sie vor der Wohnungstür standen. James humpelte zur Tür heran und tastete den oberen Rahmen ab.
»Hier muss es eine Einkerbung geben, in der er seinen Schlüssel versteckt«, erklärte er. Und tatschlich, kaum hatte er zu Ende gesprochen, holte er auch schon einen Schlüssel hervor.
»Und das wusstest du woher?«, fragte Emma überrascht, als er aufschloss.
»Von Eric natürlich«, antwortete er und humpelte hinein. Er steuerte sofort das Bad an, hinterließ aber blutige Spuren auf dem Laminatboden.
»Das Verbandszeug müsste in dem Schrank sein«, sagte er und deutete auf einen Unterschrank des Waschbeckens.
»Warst du schon mal hier?«, fragte Emma verwirrt, während sie das besagte Objekt danach durchforstete.
»Nein, aber seine Wohnungen sind fast alle identisch eingerichtet und er bewahrt seine Sachen immer an derselben Stelle auf.«
»Wie kann er sich überhaupt so viele Wohnungen leisten? Was macht er beruflich?«, fragte Emma, als sie einen Sanitärkasten gefunden hatte.
»Das weiß ich selbst nicht so genau. Gärtner ist er jedenfalls nicht«, sagte er und knöpfte sich die Hose auf. Er zog scharf die Luft ein, als der Stoff über die Wunde rieb und sofort sickerte neues Blut hervor. Emma eilte herbei und drückte eine dicke Verbandrolle drauf. Es hätte ihr unangenehm sein sollen, ihn so spärlich bekleidet zu sehen, aber angesichts seiner Verletzung war sie zu keiner sexuellen Empfindung fähig – glaubte sie zumindest.
»Fest draufdrücken«, sagte sie und wandte sich wieder dem Verbandskasten zu, um nach Desinfektionsspray oder Tüchern zu suchen. Doch leider fand sie keine.
»Kann es sein, dass Eric seinen Sanitärkasten öfter mal benötigt? Ich finde kein Desinfektionszeug«, sagte sie vorwurfsvoll und drehte sich hilfesuchend zu James um.
»Dann müssen wir Alkohol nehmen«, sagte er und deutete mit einem Nicken in die Küche. Also eilte sie aus dem Bad.
»Alkohol, wo hast du deinen Alkohol versteckt?«, murmelte sie vor sich hin, während sie seine Schränke durchsuchte. Als sie in der Küche keinen Erfolg hatte, ging sie ins Wohnzimmer zurück und durchsuchte die dortigen Schränke.
»Bingo«, sagte sie, als ihr eine angefangene Whiskeyflasche zulächelte. Sie lief ins Bad zurück und sah, dass James es gelungen war, seine Hose auszuziehen.
»Das wird wehtun«, warnte Emma und hockte sich vor ihn. Sie nahm eine Handvoll Tücher, positionierte den Flaschenhals über seine Wunde und sah noch einmal Zustimmung suchend zu ihm auf.
»Bringen wir es hinter uns«, sagte er, dann presste er die Kiefer zusammen.
»Als Emma den Whiskey auf seine offene Wunde schüttete, ließ James ein lautes Knurren hören, doch er hielt sich tapfer. Sie presste das Verbandszeug darauf und James ließ sich flach atmend auf den Badewannenrand sinken.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie und musterte sein Gesicht. Er schien eine Spur blasser geworden zu sein, nickte aber. Er griff nach einem Tuch und wischte seine nasse Stirn damit ab, dann warf er es zum Waschbecken rüber.
»Lass mich mal sehen«, sagte er und nahm ihre Hand von seinem Bein. Die Berührung war so sanft und vorsichtig, dass sie elektrische Schläge durch ihren Körper sandte. Und als hätte er es ebenfalls gespürt, sah er zu ihr auf. Ihre Blicke begegneten sich und plötzlich schien ihr das Bad viel zu klein und die Luft zu dick zum Atmen. Wie konnte sie in dieser Situation nur an Sex denken? Das war doch nicht normal! Oder lag es an Erics Tabletten, die er ihr verabreicht hatte? Als James seinen Blick senkte, fiel ihr ein Stein vom Herzen und sie ermahnte sich zur Vernunft. James durfte nicht wissen, dass er immer noch solche Reaktionen in ihr auslöste. Das würde ihm Macht über sie geben. Macht, seine Spielchen weiter mit ihr zu spielen. Vorsichtig nahm er den Verband von der Wunde und inspizierte sie eingehend.
»Offenbar war der Stich doch nicht so tief. Es blutet kaum noch«, sagte er. Nun ja, das war
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