Stundenlohn für flotte Gangster
Gast soll’s mir eine Ehre sein. Ihr
dürft mithalten, falls ihr nicht zu unbescheiden seid.“
„Jede Gruppe braucht ihren
Kapitalisten“, sagte Karl zu Anna. „Klößchen liebt diese Rolle. Ich bin für
Technik zuständig und ein lebendes Archiv. Tim sorgt für Action und Tempo und
verfügt über messerscharfe Logik. Gaby ist unser gutes Gewissen und
Spezialistin für weibliche Themen.“
„Außerdem haben wir gemeinsame
Nenner“, ergänzte Tim. „Ungerechtigkeit ist unser Feind Nummer eins.
Ungerechtigkeit und Ungesetzliches gegen Mensch, Tier und Umwelt. Da greifen
wir ein. Helfen und sich einsetzen macht unheimlich viel Spaß. Wenn man dabei
Mut beweisen muss, wächst man über sich selbst hinaus. Wie war’s bei Dr.
Lorder?“
„Trostlos.“ Über Annas Gesicht
schien sich ein Schatten zu legen. „Ich meine, der Anwalt ist toll. Und wir
haben lange geredet. Aber er kann mir aus rechtlicher Sicht so wenig helfen, so
wenig Hoffnung machen — also, ich fühle mich jetzt total verloren.“
„Wie ist das möglich?“, rief
Gaby und setzte gleich hinzu: „Aber reden wir nicht hier. Gehen wir rüber ins
Eiscafé.“ Dort belegten sie einen Außentisch, wo sie ungestört reden konnten.
Fünf Eisbecher wurden bestellt und Tim beobachtete einen Schmetterling, ein
Tagpfauenauge, das sich auf Gabys Schulter setzte und dort eine Weile blieb.
„Ich habe dem Anwalt erklärt,
was zurzeit auf mich niederprasselt“, berichtete Anna. „Und er hat mich
informiert über die rechtlichen Möglichkeiten. Anhand von aktuellen Beispielen
aus seiner Praxis. Ihr werdet es nicht für möglich halten, wie es in dieser
Hinsicht zugeht in unserem Rechtsstaat. Dr. Lorder gilt als Spezialist für
Fälle von Terror und Mobbing im privaten Umfeld. Deshalb gibt es nichts zu
deuteln an seinen Infos.“
„Nämlich?“, fragte Tim.
„Man kann sagen: In unserer
Riesenstadt toben Kleinkriege. Nächtlicher Terror, zerkratzte Autos, zersägte
Fahrräder, Angriffe mit Gaspistolen, sogar Anschläge auf Kinder, öffentlich
ausgehängte steckbriefartige Beschuldigungen — das alles ist möglich, ohne dass
die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Kaum zu glauben, nicht wahr? Aber es
gibt nur wenig rechtsstaatliche Mittel für die Opfer, um sich gegen die
rabiaten Peiniger zu wehren. Dr. Lorder wirft den Gerichten Lustlosigkeit und
Versagen vor — wenn es um solche Fälle geht. Denn bequemer Weise gehen die
Gerichte fast immer davon aus, dass die Täter nicht ganz normal sind. Damit ist
sozusagen ihre Schuldfähigkeit aufgehoben — und diese Typen haben einen
Freibrief für ihr Tun. Dr. Lorder hat wörtlich zu mir gesagt: Im Prinzip stehe
ich immer vor der Frage, ob ich den Mandanten (Ratsuchende beim Anwalt) nicht
zur Notwehr raten müsste. Aber natürlich darf ich niemandem empfehlen, dem
andern einfach auf die Nase zu hauen.“
„Das ist ja ein Armutszeugnis
für die Justiz“, rief Gaby empört.
Anna nickte mit trauriger
Miene. „Die Mittel gegen die Täter sind wirkungslos. Es können zwar
Ordnungsgelder bis zu 500 000 angedroht werden. Aber das macht keinen Sinn,
wenn der Täter das Geld nicht hat — oder, wie in meinem Fall, unbekannt ist.
Der Verdacht gegen Benito Mugani nutzt gar nichts. Mobbing und Terror fallen
fast immer unter das Zivilrecht und da stehen nur Unterlassungserklärungen,
Hausverbote und dergleichen zur Verfügung — was ja ohnehin sinnlos ist bei
unbekannten Tätern. Das Strafrecht kann erst angewendet werden, wenn das Opfer
verletzt wird. Aber ich hoffe, dass es dazu nicht kommt. Ich möchte gesund
bleiben.“
Tim sagte: „Die verkappte Empfehlung,
dem andern auf die Gurke zu hauen — das gefällt mir.“
„Tiiiiim!“ Gaby pustete gegen
ihren Pony — damit alle sehen konnten, wie sie die Brauen zusammenschob.
Der TKKG-Häuptling grinste.
„Die Situation ist doch klar, Pfote. Hilf dir selbst! Das war schon immer ein
gutes Motto. Wir müssen Mugani klarmachen, dass er den Terror ab sofort
unterlässt — andernfalls wird seine Nase viel von ihrer klassischen Schönheit
verlieren.“
Anna lächelte hilflos. „Er… hat
keine schöne Nase.“
„Trotzdem hängt er sicherlich
an ihr. Außerdem muss es ja nicht die Nase sein, die für seine Gemeinheiten
büßt.“
„Tim, ich möchte auf keinen
Fall, dass du — dass ihr meinetwegen Schwierigkeiten bekommt.“
„Keine Sorge!“, grinste der
TKKG-Häuptling. „Recht und Gesetz sind uns oberste Verpflichtung. Aber ebenso
Hilfeleistung.
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