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Stundenlohn für flotte Gangster

Stundenlohn für flotte Gangster

Titel: Stundenlohn für flotte Gangster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Szene als solche.
    Umso mehr war zu hören.
    „Haltet die Diebin!“, kreischte
eine Frauenstimme. „Sie hat mich bestohlen. Mein Portemonnaie! Die dort! Die
geschleckerte Puppe!“
    „O weh!“, stieß Gaby über die
Lippen. „Damit ist sicherlich Anna gemeint.“
    „Halt mal mein Bike!“ Tim
schubste es Klößchen zu.
    Als der TKKG-Häuptling in den
Supermarkt eilte, war Gaby neben ihm. Karl und Klößchen blieben mit vier
Tretmühlen vor dem Eingang.
    Ein Dutzend Kassen bildete die
Barriere zum Ausgang. Chromgeländer kanalisierten die Schlange der Kunden auf
den letzten sechs Metern. Dahinter — schon nahe bei den Regalen — musste man
sich diszipliniert anstellen. Allerdings waren die Schlangen vor den Kassen
heute nicht allzu lang.
    Alles war rasch gegangen. Bei
Kasse 4 hatten sich die Kunden umgedreht.
    „Die ist es! Die!“, kreischte
die bestohlene Frau.
    Und Tim sah sie. Sie und Anna.
    Die junge Lehrerin schob ihren
Einkaufswagen, beladen mit den Wasserkästen. Sie war die Fünfte und Letzte in
der Reihe von Kasse 4. Aber hinter Anna — zwischen zwei Regalen hervorschießend
— nahte ein rothaariges Weib.
    Anna fühlte sich offensichtlich
nicht angesprochen, hatte sich aber umgedreht und sah der Frau entgegen. Die
stürmte auf sie zu. Anna wurde am Arm gepackt.
    Verdammt!, dachte Tim. Wenn
diese Freistilringerin handgreiflich wird, wie verhalte ich mich dann?
    „Sie!“, schrie die Rote. „Sie
haben mein Portemonnaie aus meinem Einkaufskorb genommen. Leider habe ich’s
nicht gleich gemerkt. Aber zu spät ist es nicht. Sie haben mich angerempelt.
Geben Sie’s zu! Angerempelt, um dabei klauen zu können.“
    „Das ist nicht wahr!“ Annas
Stimme klang empört, zitterte aber etwas. „Ich habe Sie nicht bestohlen. Wie
können Sie so was behaupten! Im Übrigen haben Sie mich gerempelt. So war’s. Und
nicht mal entschuldigt haben Sie sich.“
    „Von wegen! Das werden wir
gleich haben. Machen Sie Ihre Tasche auf!“, giftete die Rothaarige.
    „Um Himmels willen!“, flüsterte
Gaby. „Natürlich wird man die Geldbörse in Annas Tasche finden. So ein
hundsgemeiner Trick.“
    „Unsere Chance!“, flüsterte Tim
zurück. „Nicht eingreifen! Vielleicht kommen wir über das Weib an Mugani
heran.“
    Es war tatsächlich ein Weib, im
abfälligen Sinne des Wortes: größer als Anna, drall bis muskulös, etwa 35, mit
eher groben, grell geschminkten Zügen, gewöhnlich. Dunkelblaues Sommerkleid mit
riesenhaftem Blütenmuster. Am Arm einen voll gepackten Einkaufskorb, den sie
jetzt schwenkte.
    „Aber meine Damen! Bitte,
bewahren Sie Ruhe!“
    Ein ältlicher Typ im weißen
Kittel war herbeigeeilt, vermutlich der Filialleiter. Er hob beschwichtigend
die Hände und hielt sich in respektvoller Entfernung zu der Rothaarigen.
    Wahrscheinlich befürchtet er,
dachte Tim, dass sie ihm eine verpasst, wenn er nicht spurt.
    „Ich verlange“, rief die Frau,
„dass diese... diese Diebin ihre Tasche öffnet. Dass sie durchsucht wird. Hier
in aller Öffentlichkeit. Vor Zeugen. Wie heißen Sie?“, herrschte sie Anna an.
    Nicht antworten!, dachte Tim.
    Aber Anna ließ sich
überrumpeln. Sie war nervös, eingeschüchtert, ängstlich — war mitgenommen von
dem, was ihr widerfuhr.
    „Anna Riedel. Dr. Anna Riedel.
Ich bin Lehrerin an der Internatsschule.“
    „Aha!“, rief die Rote, als wäre
das schon der halbe Beweis. „Und so eine unterrichtet unsere Kinder.“
    Das war an die Leute gerichtet,
die vor den Kassen standen und gebannt oder feixend das Schauspiel genossen.
    Ein leichtes Gemurmel war zu
hören. Es klang beifällig. Eine Sympathieträgerin war die Rote ganz bestimmt
nicht. Aber auch der Beruf der akademischen Lehrerin erfreute sich offenbar
unter denen hier keiner großen Beliebtheit.
    „Vielleicht, meine Damen,
sollten wir uns in mein Büro begeben“, schlug der Weißkittel vor.
    „Nein!“, rief die Rote. „Hier
wird das klar gestellt.“
    Jetzt beging Anna den zweiten
Fehler — nachdem sie sich arglos vorgestellt hatte. Tim spürte es in den
Bauchmuskeln wie einen Tiefschlag.
    „Bitte sehr!“ Anna hielt ihre
Tasche hin. „Sehen Sie nach. Nur meine Geldbörse ist drin.“

    Der Weißkittel nahm die Tasche
entgegen als wär’s eine Klapperschlange.
    „Ein großes, schwarzledernes
Portemonnaie ist es“, verkündete die Rote. „Mit meinem Führerschein, meiner
Scheckkarte und viel Geld. Mit... ja, 1000 habe ich gerade aus dem Automaten
gezogen. Mein Name ist Tanja Trücklich. Mit

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