Sturm auf den Hexenstern
Sturmbrecher vorging. Eben noch willenlose Kreaturen, schienen sie jetzt einem Befehl zu gehorchen, der sie zu gemeinsamem Handeln befähigte, der ihnen eingab:
Tötet die beiden, die nicht so sind wie wir!
Wildes Geschrei hob an aus Kehlen, die nicht mehr die von Menschen zu sein schienen. Exell erschauerte. Die Kriegerinnen stürmten vom Bug heran, und in ihren Fäusten blitzten im Licht der hochstehenden Sonne die Schwerter.
Die Sturmbrecher wurde von Winden und Strömung nach Süden getragen, fuhr einen Kurs, der sie einmal nach Osten führte, dann wieder nach Westen, doch diese kurzen Abweichungen fielen nicht ins Gewicht. Ihre Schnelligkeit glich dieses mehr als aus. Ihr Kiel teilte die aufschäumenden Wellen, auf denen sie dahinritt wie ein Geisterschiff, auf dem nun ein mörderischer Kampf auf Leben und Tod begann.
7.
Ranky hockte lange vor den kleinen Knochen, die sie aus einem Säckchen, das sie immer an ihrem Gürtel trug, auf den felsigen Boden des Strandes geschüttet hatte. Als sie sie wieder einsammelte und verstaute, schwieg sie und starrte finsteren Blickes hinaus aufs Meer.
»Na, sag schon!« forderte Kasch sie ungeduldig auf. »Was hast du im Orakel gesehen?«
»Genug, um zu wissen, was wir zu tun haben«, knurrte die Stammesführerin. Sie stand auf und warf bereitliegende, schwere Scheite mit beiden Händen ins hoch emporlodernde Feuer.
»Blitz und Donner! Was ist es?« Auch Matta konnte ihre Neugier nicht mehr zügeln. »Droht uns Gefahr von dem Schiff?«
Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf die geblähten Segel, die sich nun schon nahe an die Nordküste des Eilands herangeschoben hatten.
»Nicht von diesem da«, fauchte Ranky. »Hört her, uns bleibt nicht mehr viel Zeit, bis uns die Amazonen an Bord holen. Wir fahren mit ihnen zum Hexenstern, der ganze Stamm!«
»Der ganze…?«
Kasch verschlug es die Sprache. Sie wechselte einen Blick mit Matta, die nur die breiten Schultern zuckte.
»Aber wir wollten nur ein halbes Dutzend von uns…«
Mit einer Geste schnitt Ranky ihr das Wort ab.
»Ich sagte, der ganze Stamm, und so wird es geschehen. Du kannst natürlich bleiben, wenn dir das nicht paßt.«
Kasch beugte sich angriffslustig vor.
»Ho! Und wer sollte mich wohl daran hindern, wenn ich das wollte? Du, Ranky?«
Ranky trat an ihr vorbei. Nach den sonst von ihr so sehr geschätzten Reibereien stand ihr jetzt nicht der Sinn. Voller Grimm blickte sie nach Süden.
»Dhogur«, knurrte sie. »Ich werde ihn aus seinem Schlaf reißen.«
»Was sagst du? Dhogur?« Matta starrte sie an, dann lachte sie dröhnend. »So ist das! Pest und Dämon! Und ich glaubte…« Kasch fiel in ihr Gelächter ein, daß sie sich den Bauch halten mußte. »Ich glaubte, du meintest das ernst! Ranky, diesen Scherz mußt du vor dem ganzen Dorf machen! Wir…«
»Ihr geht ins Dorf, und ihr werdet den Stamm hierher zur Küste bringen. Wartet auf mich, wenn ihr könnt. Sonst geht allein mit den Amazonen.«
Den Vertrauten blieb das Lachen im Halse stecken. Mattas Kiefer klappte nach unten. Kasch starrte Ranky an, als sähe sie einen Geist vor sich.
Mit einem gewaltigen Satz war sie bei der Anführerin und riß sie an der Schulter herum.
»Ranky! Blitz und Donner, das kannst du nicht tun!«
»Nimm die Hände weg!« Ranky stieß das Inselweib von sich. »Ich sagte, ich werde Dhogur erwecken, und das werde ich tun! Ich habe meine Gründe dafür. Keine von uns wird mehr auf der Insel sein, wenn Dhogur zurückkehrt. Und keine von uns wird jemals wieder hierher zurückkehren. Fragt jetzt nicht soviel, sondern tut, was ich sage!«
»Zurückkehrt? Von wo?«
Matta und Kasch genügte ein Blick in Rankys hartes Gesicht, um zu erkennen, daß es der Anführerin todernst mit ihrer Ankündigung war. Etwas in Rankys in die Ferne gerichteten Augen ließ sie verstummen.
»Geht jetzt!«
Ranky ließ die beiden stehen und schritt davon.
»Höre!« schrie Kasch ihr nach. »Nimm uns mit! Allein bist du verloren!«
Aber Ranky drehte sich nicht einmal mehr um. Sie verschwand zwischen den Felsen, hinter denen sich, zwei gute Steinwürfe von der Küste entfernt, die kahlen Hügel erhoben.
»So habe ich sie nicht mehr erlebt, seitdem sie die drei Bestien tötete«, knurrte Matta. »Was glaubst du, hat sie in den Knochen erblickt?«
»Was weiß ich!« fuhr Kasch auf. »Etwas Schreckliches. Und wenn sie zu Dhogur geht und uns sagt, daß wir bis aufs letzte Weib die Insel verlassen müssen, so wird etwas geschehen, das keine
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