Sturm auf den Hexenstern
die Gefahr vom Hexenstern. Auf Wogen der Begeisterung wurden die Schiffe gen Süden getragen, und der Schlachtruf der Kriegerinnen ließ die Lüfte erzittern.
Der Verlust einiger Schiffe war bedauerlich, schmerzlich der Tod der in den Fluten und Stürmen ums Leben gekommenen Amazonen. Doch das schwächte Zaems Aufgebot nicht. Im Gegenteil ließ er den Haß in den Herzen der Amazonen nur wachsen, schürte den Kampfeswillen und schärfte die Sinne gegen jede zu erwartende weitere Tücke des Gegners.
Hasbol studierte die Karten in ihrer Hand. Die Flotte war bereits an den nördlichen Krerell-Inseln vorbei, die weiter im Osten lagen. Sie kam gut voran, schneller als selbst Hasbol dies hatte erwarten dürfen. Die fähigen Hexen glichen mit ihrer Magie die Schwächen der weniger erfahrenen aus. Einige Schiffe waren abgetrieben worden, doch auch sie sollten in der Stunde der Entscheidung wieder zu den anderen aufgeschlossen haben. Etwa fünfzig Ballons suchten nach wie vor nach ihnen. Die Silberspeer selbst hatte schon drei Versprengten den Weg gewiesen.
Dennoch wurden die Kriegerinnen an Bord von Stunde zu Stunde unruhiger, trotz aller Beteuerungen Hasbols, beim Sturm auf den Hexenstern in vorderster Linie zu kämpfen. Sie äußerten ihren Unmut auch jetzt noch nicht laut, hüteten sich, den Zorn der Schiffsführerin zu erregen.
Hasbol beugte sich vor und sah aus der Kanzel. Die Sonne hatte den höchsten Punkt ihrer Wanderung über das Firmament erreicht und bewegte sich bereits wieder gen Westen.
»Draja!« rief Hasbol die Sokreil zu sich.
»Wir schließen auf?« fragte die Kriegerin hoffnungsvoll, als sie neben der Flugführerin stand.
»Wir warten bis zum Abend«, entschied diese. »Sobald die Sonne erneut am Horizont versinkt, geben wir die Suche nach weiteren Schiffbrüchigen oder Abgetriebenen auf. Am Morgen werden wir vor der Flotte sein!«
6.
Exell taumelte über das Deck, kam ein paar Schritte weit und fühlte wieder, wie ihr die Beine den Dienst versagten. Wo immer sich eine Gelegenheit dazu bot, hielt sie sich fest und wartete, bis das Schwindelgefühl nachließ, das schlimmer war als der Schmerz in ihrer Schulter.
Es war fast so wie auf dem See im Hexenschlag. Etwas wollte von ihrem Geist Besitz ergreifen, sie dem Wahnsinn in die gierig ausgebreiteten Arme treiben. Sie wußte zeitweise nicht mehr, wo sie sich überhaupt befand und was sie hier, auf diesen von hochspritzender Gischt rutschigen Planken tat. Immer wieder gab es Augenblicke, in denen sie sich nicht einmal mehr daran zu erinnern vermochte, was sie vor dem Aufbruch am Himmel gesehen hatte.
Zunächst hatte sie geglaubt, der Splitter in ihrer Schulter sei für ihren Zustand verantwortlich. Doch nun, als sie sich mit der Linken an einem Seil festklammerte, mußte sie sehen, daß es allen an Bord wie ihr erging.
Die Amazonen liefen wie trunken durcheinander. Kaum eine befand sich noch an ihrem Platz. Sie schrien ihre Qualen in die Welt hinaus. Einige lagen zusammengekrümmt auf den nassen Planken und preßten sich die Hände gegen die Schädel. Andere saßen neben ihnen und stierten aus blicklosen Augen ins Nichts. Wieder andere lachten irr und taten völlig unsinnige Dinge.
Der Todesschrei einer Kriegerin ließ Exell zusammenzucken. Mit weit aufgerissenen Augen drehte sie sich langsam um und glaubte sodann, ihr Geist würde ihr dämonische Trugbilder vermitteln.
Eine Kriegerin stand über einer anderen im Bugkastell, das blutige Schwert noch in der Hand. Ihre Augen starrten in blankem Irrsinn auf die von ihrer Hand getötete Gefährtin. Für zwei, drei Herzschläge hatte es den Anschein, als suchte die Besessene sich ein neues Opfer. Dann aber brach sie zusammen und blieb winselnd liegen.
Besessen! durchfuhr es Exell. Sie bebte am ganzen Körper. Das ist es! Besessene sind wir alle! Die Sturmbrecher ist dem Untergang geweiht!
Aber welche Schuld haben wir auf uns geladen, um dieses grausame Schicksal erleiden zu müssen!
Ganz kurz nur glaubte sie, die Antwort zu kennen. Wieder sah sie den dunklen See vor ihrem geistigen Auge, den Kreis der zwölf Hexen, den glühenden Stein aus den Tiefen…
Die Vision verblaßte, und Exells Geist hüllte sich erneut in Vergessen. Ohne sich ihrer Bewegungen bewußt zu sein, schleppte sie sich über das Deck, stolperte über herumliegende und sich windende oder bekämpfende Kriegerinnen und schlug der Länge nach hin. Sie blutete am Kopf, und der Schmerz riß sie aus der Umnachtung.
»Krelle!«
Sie sah
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