Sturm auf den Hexenstern
und schäumte. Mit unglaublicher Schnelligkeit entfernte sich die urweltliche Bestie vom Steilufer.
»Er wird versinken!« war es zu hören.
»Seht! Nur noch sein Schädel schaut aus dem Meer!«
Ranky war heran und schüttelte, nur einige Körperlängen von Mythor entfernt, den blonden Schopf.
»Er versinkt nicht«, prophezeite sie finster. »Dhogur ist dem Meer entstiegen. Er weiß sich darin schneller zu bewegen als ein jedes euerer Schiffe. Ich riß ihn aus seinem Schlaf, als unser Stamm die Insel verließ und nur noch die anderen Amazonen sich bei den Klippen befanden.«
»Was willst du damit sagen?« krächzte Gerrek, während sein Blick starr auf den Echsenschädel gerichtet war, der näher und näher an die Südwind herankam und die Wasser teilte.
»Dhogur witterte die Amazonen, wie ich es voraussah. Er tötete sie und vernichtete auch ihre Ballons, in denen sie euer Schiff auch noch hätten angreifen können, nachdem ihr heimtückischer Plan fehlgeschlagen war. Nun gibt es weit und breit keine andere Beute mehr für Dhogur als… uns.«
Ihre Stimme erstarb. Dafür sah Taukel die Stunde ihres Triumphs für gekommen. Sie trat vor die Eingeborene hin und spuckte ihr ins Gesicht.
»So hast du nichts getan als unseren Untergang besiegelt!« kreischte die Hexe, bevor ein Faustschlag des Inselweibs sie zum zweitenmal zu Boden streckte.
»Wird er uns erreichen?« fragte Josnett aufgebracht.
»Ja«, flüsterte Ranky. Die wilde, rauhe Führerin des Stammes wirkte nun wie ein Häufchen Elend. »Er wird uns einholen und das Schiff versenken. Das… wollte ich nicht.«
»Und du hast keine Gewalt über ihn?«
Ranky gab keine Antwort. Josnett verfluchte sie und wirbelte herum.
»Die Bogenschützinnen hierher! Speere und Schwertlanzen! Wir müssen die Bestie getötet haben, bevor sie die Südwind erreicht!« Wieder fuhr sie zu Ranky herum. »Und du, hole die Winde herbei, daß die Segel reißen! Ich rate dir gut, zeig uns dein Können, sonst wirst du die erste sein, die der Drache aus den Wellen fischt!«
Die Bogenschützinnen spannten die Sehnen. Ein Pfeilhagel ging auf den mächtigen, grünen Schädel hinab, in dem drei ausgewachsene Ochsen Platz gefunden hätten - und prallte ab wie von Stein. Immer näher schob sich Dhogur ans Schiff heran. Gerrek schickte ihm eine Flammenlohe entgegen, um sich im nächsten Augenblick kreischend zu Boden zu werfen, als Dhogur mit einem Feuersturm antwortete.
Speere und Schwertlanzen glitten ebenso wirkungslos an der Haut des Drachen ab wie die Pfeile. Die von Ranky herbeigerufenen Winde blähten die Segel, daß die Masten ächzten und zu brechen drohten. Schnell wurde die Südwind, schnell wie nie zuvor. Doch nun zeigte sich, daß das Meer wahrhaftig das Lebenselement des Drachen war.
Dhogurs Kopf versank in den über ihm zusammenschlagenden Fluten. Ein Raunen und Aufatmen ging schon durch die Reihen der Kriegerinnen, als der Drache nur Herzschläge später erneut auftauchte und das vor dem Bug des Schiffes.
Dhogur wuchs in die Höhe wie ein Fels. Das Wasser rann in Strömen von seinem mächtigen Schädel, von gewaltigen Schultern. Verzweifelt verschossen die Amazonen ihre Pfeile und schleuderten die Speere und Schwertlanzen, wenngleich sie wissen mußten, daß sie Dhogur damit nicht einmal verwunden konnten.
Niemand achtete in diesen Augenblicken auf Mythor, der sich Alton zwischen die Zähne geklemmt hatte und an der Takelage emporgeklettert war, bis er mit beiden Händen ein von der Segelstange herabhängendes Seil umfassen konnte.
Erst dann sah ihn Scida, deren Schrei sich in das Brüllen des Drachen mischte, in die Flüche der Kriegerinnen und das Ächzen der Masten und Planken.
*
Unterdessen war die Sonne weitergewandert und schickte sich an, sich dem Horizont zuzuneigen, um in einem grandiosen Schauspiel hinter den endlos erscheinenden Wassermassen zu versinken.
Hasbol an Bord der Silberspeer fieberte ihrem Untergang entgegen, fast schon bereit, ihre Ankündigung, bis zum Abend zu warten, zurückzunehmen und auf der Stelle zur Flotte aufzuschließen. Die Unruhe unter ihren Kriegerinnen war auf sie übergesprungen, wenngleich sie wußte, daß es noch Tage dauern würde, bis der Hexenstern erreicht war. Doch sie fühlte das Verlangen in sich, die Segel der Seeschiffe und die mächtigen Ballons der Luftschiffe wiederzusehen, nicht mehr zurückzuhängen, sondern Teil jener unvergleichlichen Streitmacht zu sein, die die Wellen der Meere durchpflügte und von den
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