Sturm der Barbaren
gerade noch nicht flehend.
Der Geselle runzelt die Stirn. »Das … das muss Meister Wanyi entscheiden.«
»So soll es sein. Wir können nur anfragen«, sagt Lorn mit der höflichen Stimme eines Buchhalters.
Lorn wartet. Der Geselle zieht sich ein Paar schwere Lederhandschuhe an, bevor er die dunkle, geordnete Eisenklinge nimmt und sie in die Werkstatt zu dem weißhaarigen Mann trägt, der schließlich von seiner Chaosglänzenden Schmiedearbeit aufblickt. Der Geselle hat auch die Plakette mitgenommen, die er dem Meister noch vor dem Säbel zeigt.
Es dauert eine Weile und der junge Cupritschmied kommt zurück – ohne die Klinge. Die Plakette gibt er Lorn zurück. »Für das Haus Dyjani werden wir das machen, aber es kostet fünf Goldstücke. Und eine Vertrauensgebühr von fünf weiteren Goldstücken.«
»Dem hohen Handelsmeister ist es das wert.« Lorn hat schon mit solch einer Summe gerechnet, obwohl ihn dieser Betrag beinahe in den Ruin treibt. Nur noch einige wenige Goldstücke verbleiben ihm in seiner Börse. Beides zusammen, die Plakette und die Gebühr – der gesamte Jahreslohn eines Lanzenkämpferhauptmanns – werden verlangt, damit das Cupridium nicht in die Hände der einfachen Leute gelangt. Nur die Spiegellanzenkämpfer und Reichen sollen es tragen. »Ich zahle gleich die Hälfte an, die andere Hälfte bringe ich mit, wenn ich die Waffe abhole.«
»Einverstanden.«
Lorn legt die Goldstücke auf die Theke und erhält dafür eine Marke.
»In drei Tagen wird die Klinge fertig sein.«
»Danke.« Lorn verneigt den Kopf. »Ich werde es dem Handelsmeister ausrichten und in drei Tagen wiederkommen.« Er dreht sich um und knöpft den Umhang zu, bevor er die Werkstatt verlässt.
Draußen hat sich der Nebel in gefrierenden Regen verwandelt, der so heftig vom Westmeer herübergepeitscht wird, dass es beinahe weh tut, wenn die Tropfen auf die ungeschützte Gesichtshaut treffen. Doch nach der schlechten Luft und dem Chaos-Nebel in der Cupritschmiede tut der Eisregen Lorn richtig gut, während er bedächtig nach Osten wandert. Dieser Regen dürfte alle Magier davon abhalten, seinen Weg zu verfolgen, obwohl natürlich nichts Verbotenes darin liegt, einen geordneten Eisensäbel beschichten zu lassen. Es ist zwar teuer und die Schmiede wundern sich, das ja … aber Lorn benötigt die Waffe aus mehr als nur einem Grund.
Der Lanzenkämpferhauptmann schüttelt den Kopf und macht sich auf den Weg zurück in den Hafen. Er schaut kurz im Haus seiner Eltern vorbei, aber nur um die blauen Buchhalterkleider gegen die Arbeitsuniform der Lanzenkämpfer auszutauschen, denn er hat vor, seiner Schwester Myryan noch einen Besuch abzustatten. Als er den Dreiundzwanzigsten Weg erreicht, hat sich der Eisregen bereits in Schneeregen verwandelt und prallt von Umhang und Gesicht ab. Die Lanzenkämpferkappe ist klatschnass, genau wie sein Haar, und das Wasser läuft ihm in kalten Bächen den Rücken hinunter.
Myryan muss ihn beobachtet haben, denn sie öffnet die Tür, bevor er läuten kann, und winkt ihn ins Haus. »Du bist ja völlig durchnässt, Lorn. Wie lange bist du denn schon unterwegs? Ciesrt ist erst vorhin gegangen. Du weißt doch, dass du bei so einem Wetter nicht kommen musst.« Abwesend streicht sie sich eine dicke, schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht.
Lorn befreit sich aus dem Umhang und versucht, den glänzenden Fliesenfußboden im Flur nicht zu schmutzig und nass zu machen. »Ach, ich muss nicht? Wie viele Tage bleiben mir denn noch, bevor ich meinen Dienst wieder antrete?«
»Weniger als vierzehn Tage«, gibt sie zu. »Wenn ich richtig gezählt habe.«
Er grinst. »Also muss ich doch herkommen.«
Sie verzieht das Gesicht. »Du kommst doch nicht ohne Grund.«
»Ich bin nur durch Eisregen und Schnee gelaufen …«
Das Stirnrunzeln verschwindet. »Vielleicht doch. Komm in die Küche. Ich habe Brot gebacken heute Morgen – mit Käse darin.« Sie geht voraus.
»Das wäre lecker.« Lorn fühlt, wie ihm das Wasser im Mund zusammenläuft, als er Myryan folgt.
LIII
D er Silberkelch ist in einem zweistöckigen Haus untergebracht, das sich im Schatten des zweiten Lagerhauses des Spuryl-Klans versteckt und etwa hundert Ellen hinter dem Zweiten Hafenweg West in einer namenlosen engen Gasse steht, die zwischen der Straße des Fortwährenden Lichts und der Straße des Lauteren Handels verläuft. Hinter den zwei Torbögen, die einen kleinen Säulengang formen, stehen die beiden alten Doppeltüren zum Silberkelch
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