Sturm der Barbaren
ich einen entfernten Verwandten von ihm gerettet habe.«
»Dettaur’alt ist ein geachteter Schützling des Hauptmann-Kommandanten Luss’alt, Jerial. Man sollte ihm den entsprechenden Respekt entgegenbringen.«
»Ich habe mich durchaus respektvoll betragen, Vater, und ihm sogar vorgeschlagen, dass er uns doch wieder einmal besuchen soll während seines nächsten Urlaubs.«
»Sehr klug von dir.« Kien’elth atmet tief ein und lässt sich auf den Stuhl fallen, auf dem kurz zuvor noch Dettaur gesessen hat.
»Geht es dir gut, mein Lieber?« Nyryah eilt an die Seite ihres Gemahls, sie berührt besorgt seine Stirn. Dann huscht ein erleichtertes Lächeln über ihr Gesicht.
Jerial und Lorn sehen sich fragend an, Lorn spürt, dass seine Eltern etwas austauschen. Ein nur angedeutetes Kopfschütteln der jungen Heilerin ist für Lorn Grund genug, sich nicht einzumischen.
»Es geht mir schon besser«, behauptet Kien. »Ich muss mich nur hinsetzen. Wir mussten Ersatzzellen auf die Ozeanflamme schicken und hatten nicht genug junge Magier zur Verfügung.«
»Dann hast du dich ins Zeug gelegt, als wärst du zwanzig Jahre jünger, stimmt’s?« Nyryah hebt die Augenbrauen.
»Was hätte ich denn sonst tun sollen? Wenn alle Zellen entladen sind … es hätte den Turm des Schiffes kosten können … und wir hätten ein weiteres Feuerschiff verloren.« Kien fuchtelt mit den Händen in der Luft herum. »Was hätte ich tun sollen?«
»Du hast genau das Richtige getan«, meint Nyryah beschwichtigend. »Nur hättest du nicht die Treppen heraufstürmen sollen wie ein junger Stier, als du nach Hause kamst.«
»Frauen …«, brummt Kien.
Lorn und Jerial lachen laut heraus. Nyryah lächelt nachsichtig.
LII
M it der blauen Kleidung eines Buchhalters unter einem grauen, wasserdichten Umhang wandert Lorn den schmalen Weg entlang, der gut eine halbe Meile südwestlich der Hafenmauer verläuft. Ein Nebel, der beinahe schon an Nieselregen grenzt, überzieht die Weiße Stadt Cyad und färbt sie fast grau. Wie immer bei Regen, beschert auch dieses Wetter Lorn ein leichtes, nagendes Kopfweh. In dem langen Bündel, das ebenso in grauen Stoff gepackt ist und zusätzlich noch in geöltes Leder, steckt ein Säbel, allerdings kein Säbel wie ihn die Spiegellanzenkämpfer für gewöhnlich tragen.
Schließlich entdeckt Lorn das schimmernde, ovale Schild über der Werkstatt der Cupritschmiede, das durch den nebligen Regen leuchtet. Unter dem Dachvorsprung angekommen, der eine kleine Veranda entstehen lässt, streift er sich die Stiefel auf der Pferdehaarmatte ab und öffnet die Tür. Drinnen erwartet ihn so etwas wie ein kleiner Flur, in dem eine halbe Tür den Zugang zur hinteren Werkstatt versperrt. Hinter der Tür erspäht Lorn Chaos-Zellen, Tauchbecken und auch die spezielle Esse. Ein Hammerschlag dröhnt durch das Gebäude.
Die beißende Luft reizt Lorns Nase, der bittere Geruch kratzt auch in Hals und Rachen. Mit tränenden Augen öffnet er den Umhang so weit, dass das Blau darunter zum Vorschein kommt. Er tritt an die Halbtür, an der man waagerecht ein glattes Brett mit der Breite der Tür montiert hat, um eine kleine Theke zu erhalten.
Lorn weiß nicht genau, wie lange er wartet, aber es dauert eine ganze Weile, bis ein stämmiger Mann, noch ziemlich jung, seinen Arbeitsplatz an einem der Tauchbecken verlässt und sich zur Tür bemüht.
Lorn verneigt den Kopf vor dem Gesellen, als dieser vor ihm steht.
»Ja, Oberbuchhalter?« Der Geselle wartet auf Lorns Antwort.
Lorn holt die gestohlene Plakette des Hauses Dyjani heraus. Ryalth hat nicht gefragt, wozu er sie braucht, aber es hat ihre Helfer fast zwei Achttage gekostet, sie zu beschaffen; länger als Lorn geplant hat, aber doch noch rechtzeitig, so hofft er. »Wir haben einen … besonderen Auftrag … von einem ausländischen Händler.«
Der Geselle betrachtet die Plakette und zieht verwundert die Augenbrauen hoch, als Lorn den Säbel samt Scheide auspackt, der nur etwas mehr gekrümmt ist als eine Lanzenkämpferklinge, aber ganz klar erkennen lässt, das es sich nicht um eine Waffe aus Cyad handelt. Er verliert kein Wort über die geschärfte Spitze. »Ja?«
»Der Handelsmeister hat gehört, dass ihr dieses Schwert mit einer dünnen Schicht aus bestem Cupridium überziehen könntet, sodass ein Meisterhändler aus Brysta die Waffe in Cyad tragen kann und sie auch noch ihren Zweck erfüllt.« Lorn pendelt seine Stimme gezielt ein, sodass sie mehr als besorgt klingt und
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