Sturm der Barbaren
haben fünf Kompanien, das sind zehn Einheiten. Wenn wir uns alle aufstellen – was hin und wieder vorkommt –, zählt man fast zehn Züge, da sind die Köche und das Küchenpersonal noch gar nicht mit eingerechnet.«
»Dann gibt es wohl viele Patrouillengänge.«
»Nicht sonderlich viele. Für eine Aufklärungspatrouille braucht man eine ganze Kompanie, für einen kleinen Angriff auch eine ganze Kompanie, und wenn alle Barbaren eines Stammes sich zu einem Angriff entschließen, brauchen wir jeden Mann.«
»Geschieht das oft?« Lorn beugt sich vor und tätschelt seine Stute am Hals.
»Ein Angriff von einem ganzen Stamm? Nein … nur alle paar Jahre, wenn überhaupt. Das letzte Mal war vor vier Sommern, aber da herrschte Trockenheit im Norden. Wahrscheinlich waren sie hungrig … oder so.«
»Die Angriffe, gibt es die schon lange? Oder erst in der letzten Zeit?«
»Schon lange. Ich habe Kommandant Thiataphi einmal sagen hören, dass er schon als Unteroffizier hier draußen war. Ihr könnt mir bestimmt sagen, wie viele Jahre das her ist, Ser.« Nytral lacht.
»Bestimmt einige.« Etwa fünfzig Ellen neben der Straße verlaufen zu beiden Seiten Bewässerungsgräben, die mit Ziegelsteinen ausgekleidet sind. Die kleinen Dämme und Schleusen dienen im Sommer dazu, das Wasser auf die Felder zu leiten, im Winter jedoch sind die Gräben leer. »Versuchen die Barbaren auch die Bewässerungssysteme zu zerstören?«
»Nein. Meist sind sie nur hinter Frauen, Waffen und Pferden her – und dabei töten sie jeden Lanzenkämpfer, der ihnen in die Quere kommt.« Nytral verfällt in Schweigen.
Sie reiten an einem Anwesen vorbei. Das Haus hätte auch am Stadtrand von Cyad oder Syadtar stehen können mit dem grün gefliesten Wandschirm vor der Haustür, den hohen, dichten Hecken hinter dem Haus und den grünen Fensterläden. Die zwei Nebengebäude sind aus Ziegeln gemauert und größer, als Lorn es aus Cyador kennt. Der Stall ist an die hundert Ellen lang und misst bis zum Ziegeldach bestimmt zwanzig Ellen.
Auch nachdem sie schon zwei Meilen in das Tal hineingeritten sind, muss Lorn noch immer gegen die grelle Spätnachmittagssonne blinzeln, bevor er die Umrisse des Außenpostens ausmachen kann. Dieser Außenposten scheint viel größer zu sein als das Kasernengelände in Syadtar oder der Ausbildungsstützpunkt in Kynstaar.
Nach einer weiteren Meile ruft Nytral plötzlich: »Da, Ser, jetzt könnt Ihr den Außenposten sehen.«
Die Gebäude sind um einen kleinen Hügel ganz am westlichen Ende des langen und nicht sehr tiefen Tals herum gebaut. Die äußeren Sonnensteinmauern sind gut acht Ellen hoch und umschließen Pferche, Ställe und eine zweite Mauer, hinter der das Waffenlager und einige lange Baracken untergebracht sind – Gebäude aus Stein und Ziegeldächern. Auf der flacheren Hangseite entdeckt Lorn eine Wasserzisterne und etwas, das eine Quelle zu sein scheint, mit Schutzmauern darum herum, die sich von der Quelle bis zum Waffenlager erstrecken.
»Haben die Barbaren die Mauer jemals überwinden können?«, fragt der Unteroffizier.
»Es gibt Geschichten, dass sie einmal fast die ganze erste Garnison getötet haben, das liegt aber schon Generationen zurück. Der Kaiser wollte, dass so etwas nie mehr geschieht … also hat er Isahl bauen lassen, um alle Angriffe abzuwehren. Wurde nach dem Vorbild von Assyadt gebaut, doch die Jeranyi im Westen machen seit ein paar Jahren nicht mehr so viele Schwierigkeiten. Zumindest hat es seitdem keine Angriffe mehr auf die Mauer gegeben.«
Lorn nickt.
Eine Meile vom Außenposten entfernt biegen sie Richtung Norden in eine schmale Straße ein, die zu den Toren ungefähr in der Mitte der südseitigen Mauer führt. Am Ende dieser Straße wachen vier Soldaten vor den geschlossenen Toren. Zwei stehen vor den Toren und zwei auf einer niedrigen Brüstung darüber. Alle vier sehen Lorn und die Ersatzlanzenkämpfer kommen.
Nytral wirft einen Blick zu Lorn.
Dieser reitet allein zum Tor, er zeigt dem breitgesichtigen, älteren Wachmann seinen Siegelring. »Unteroffizier Lorn’alt … melde mich bei Sub-Major Brevyl zum Dienst, bringe Nachschub und Lanzenkämpfer mit.«
»Gut, dass Ihr da seid, Ser.« Der Wachposten tritt zurück und die Tore schwingen auf.
Innerhalb der weitläufigen äußeren Mauern angekommen, die eine kleinere angreifende Gruppe aufhalten und eine größere Horde von Barbaren durchaus abzuschrecken vermögen, kann sich Lorn die zweite Mauer im Innern genauer
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