Sturm der Barbaren
ansehen, die den Haupthof am Fuße des niedrigen Hügels umgibt.
Die inneren Tore werden zwar von zehn Lanzenkämpfern bewacht, stehen aber offen. Einer von ihnen tritt vor.
»Ser?«
»Ja?«, antwortet Lorn höflich.
»Da Ihr neu hier seid, bittet der Sub-Major Euch zu sich, noch bevor Ihr zu den Quartieren geht.« Die Stimme des jungen Soldaten klingt fest, wenn auch ein wenig hoch.
»Wo muss ich hin?«, fragt Lorn.
»Der Eckturm da rechts … ein Wachposten steht vor der Tür. Dort könnt Ihr auch das Pferd anbinden.«
»Danke.« Lorn verneigt den Kopf und treibt die Stute an.
Ein Lanzenkämpfer mit den zwei Schlitzen eines Haupttruppenführers an den Ärmeln tritt aus den Baracken neben dem Tor, seine Augen strahlen Nytral an. »Nytral ist zurück! Hat sogar ein paar Wagen mitgebracht.«
Lorn wirft Nytral einen Blick zu. »Kannst du dich ums Abladen kümmern, während ich mich beim Sub-Major melde?«
»Ja, Ser. Wird erledigt.«
»Danke.«
»Dazu bin ich da, Ser.«
Lorn lenkt die Stute zum Turm, wo tatsächlich ein einzelner Wachposten vor dem Eingang steht. Dort steigt er ab und bindet die Stute an den freien Pfosten, dann begibt er sich zum Eingang.
»Durch die Tür, Ser. Kielt wird Euch empfangen, Ser.«
»Danke.« Lorn lässt den schwachen, aber frostigen Wind hinter sich und betritt den schmalen Flur. Ein weiterer Lanzenkämpfer sitzt an einem kleinen Tisch neben einer geschlossenen Tür.
Lorn geht zu ihm und zeigt ihm den Siegelring. »Unteroffizier Lorn’alt meldet sich zum Dienst.« Die Förmlichkeit seiner Worte kommt ihm fast übertrieben vor, aber er beschließt erst einmal zu warten.
»Einen Augenblick, Ser.« Der bärtige, ältere Lanzenkämpfer öffnet die Tür und schließt sie hinter sich.
Wenige Sekunden später kehrt er zurück. »Sub-Major Brevyl empfängt Euch sofort, Ser.« Der Lanzenkämpfer hält die alte, aber gut erhaltene Tür aus Weißeiche für Lorn auf, damit dieser in die Amtsstube des Sub-Majors eintreten kann.
»Danke, Kielt.« Lorn weiß nichts mit dem Zwinkern des Lanzenkämpfers anzufangen, tritt aber trotzdem durch die Tür.
Die Amtsstube ist nicht sehr groß für die eines SubMajors, der einen Außenposten so groß wie Isahl befehligt. Der Raum misst weniger als fünfzehn auf zehn Ellen und ist nur mit einem Schreibtisch, einem Schrank für die Schriftrollen, dem hölzernen Lehnstuhl, aus dem sich Brevyl nun erhebt, und vier einfachen Holzstühlen vor den Schreibtisch ausgestattet. In den Ecken stehen zwei weitere Stühle. Das Licht kann nur durch die hohen Fenster hinter dem Schreibtisch von draußen einfallen, zwei Wandleuchten enthalten Öllampen, die nicht brennen.
Sub-Major Brevyl ist ein Mann von schlanker Gestalt, einen halben Kopf kleiner als Lorn und trägt einen dünnen, weißen Schnurrbart. Das kurz geschnittene, weiße Haar ist dicht und die grünen Augen über der geraden Nase beherrschen die feinen Gesichtszüge.
»Ser, Unteroffizier Lorn’alt.« Lorn übergibt dem Sub-Major die Schriftrolle mit den Befehlen.
Brevyl legt die Rolle auf den Schreibtisch, ungeöffnet. »Setzt Euch, Unteroffizier. Es ist ein langer Ritt von Syadtar hierher.« Er macht eine kurze Pause. Als Lorn sich niedergelassen hat, fragt er weiter: »Habt Ihr Barbaren gesehen auf dem Weg hierher?«
»Eine Gruppe, Ser. Sie befanden sich etwa eine Meile von uns entfernt. Als sie uns entdeckten, ritten sie Richtung Norden davon.«
»Zu dumm, dass sie nicht näher gekommen sind.« Mit einem belustigten Lächeln auf dem Gesicht nimmt der Sub-Major die Schriftrolle zur Hand, er rollt sie auf, setzt sich hin und liest sie durch. Nach einer Weile sieht er auf zu Lorn, keine Spur von einem Lächeln mehr auf seinem Gesicht. »Wisst Ihr, warum Ihr hier seid, Unteroffizier Lorn’alt?«
»Weil es keinen anderen Platz für mich gibt«, meint Lorn. »Außer vielleicht Pemedra oder den Verwunschenen Wald.«
»Oder Inividra im Frühling oder Herbst«, fügt der Sub-Major hinzu. »Ihr werdet alle vier Orte sehen, bevor Ihr zum Major aufsteigt, und das ohne nach Cyad zurückzukehren, es sei denn für ein paar Tage zwischen den verschiedenen Posten.« Er hält inne. »Das klingt nicht sonderlich gut, nicht wahr?«
Lorn wartet gespannt.
»Ich wünsche eine Antwort, Unteroffizier.«
»Was als ›gut‹ zu bezeichnen ist, hängt davon ab, was für das Wohlbefinden von Cyador notwendig ist, Ser.«
Ein Stirnrunzeln löst den amüsierten Blick auf dem Gesicht des Sub-Majors ab. »Ich habe
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