Sturm der Barbaren
Stute und den Pferden der Kompanie zu sehen.
XXIV
U nter dicken grauen Wolken scheint der Nebel von Norden her über das braune Gras der endlosen Hügel zu quellen. Es ist kurz vor Mittag, aber Wolken und Nebel sorgen dafür, dass man glaubt, die Abenddämmerung habe bereits eingesetzt. Die Feuchtigkeit des Nebels sammelt sich in Lorns Nacken und rinnt dann in kleinen Bächen unter dem geölten weißen Leder der Winterjacke seinen Rücken hinunter.
Lorn verlagert das Gewicht von einem Bein auf das andere, mal stellt er sich in den rechten Steigbügel, dann in den linken. Er steht beinahe aufrecht in den Bügeln, nur um seine Beine halbwegs ausstrecken zu können.
Sie befinden sich noch nicht einmal zwanzig Meilen nördlich von Isahl, aber es scheint bereits eine andere Welt zu sein. Die Patrouille reitet auf dem schmalen Lehmpfad eines Tals entlang, in dem es nur wenig mehr als einen kleinen, trüben See gibt, den sie vor einiger Zeit passiert haben, und eine Hand voll verstreut liegender Lehmhäuser und Ställe. Die Wohnhäuser verdienen kaum ihren Namen, es gibt keine schützenden Vorhäuser und kein Glas in den Fenstern. Grobe geölte Fensterläden, oft einfach aus alten Brettern zusammengenagelt, sollen Feuchtigkeit und Kälte abhalten. Die dünnen Rauchsäulen aus den Kaminen verlieren sich im Grau der Wolken und des Nebels.
Die einzigen sichtbaren Lebewesen außer den Lanzenkämpfern und ihren Pferden sind die Schafe einer kleinen Herde – graue Punkte im braunen Gras –, die hinter dem letzten Stall an der Südseite der Straße grasen.
Bis jetzt zeichnen sich auf der Straße nur die Spuren der Patrouille ab sowie die eines Karrens, der tiefe Furchen im lehmigen, schon fast gefrorenen Matsch hinterlassen hat.
Lorn schaut eine halbe Meile voraus, wo Zandrey die Dritte Kompanie anführt, und dann zurück zu den zwei Einheiten seiner eigenen Kompanie. Im Augenblick reitet Nytral neben Shofirg, dem zweiten Truppenführer. Neben Lorn reitet ein anderer älterer Lanzenkämpfer, Dubrez, der seit dem Beginn der Patrouille am Tag zuvor seinen mürrischen Gesichtsausdruck nicht abgelegt hat.
Die Straße schlängelt sich gemächlich am Westende des Tals entlang nach Norden. An einer Steigung verläuft sie dann zwischen zwei niedrigen Hügeln hindurch, wo einige verkrüppelte Zedern, ein paar Büsche und zumeist hohes Gras wachsen.
»Hat dieser Ort einen Namen?«, fragt Lorn schließlich seinen Begleiter Dubrez.
»Dieses Tal? Nicht dass ich wüsste, Ser. Es gibt hier keine richtigen Namen. Das hier heißt bei uns das Tal mit dem trüben See. Das nächste ist das mit dem ausgebrannten Haus. Solche Namen haben wir …« Daraufhin versinkt Dubrez wieder in Schweigen.
Lorn wechselt die Zügel von der rechten in die linke Hand und bewegt die Finger, um sie in den dicken weißen Handschuhen aufzuwärmen, die nur die ärgste Kälte abhalten.
Kalte, dicke Regentropfen klatschen auf die Lanzenreiter und ihre Pferde, gerade genug, um sie mit einer dünnen Wasserschicht zu überziehen; dann hört der kalte Regen auf und wird sogleich abgelöst von der feinen Feuchtigkeit des scheinbar undurchdringlichen Nebels.
»Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, auf Barbaren zu treffen?«, fragt Lorn den Truppenführer leise.
»Sehr gering, Ser. Jetzt im Winter.« Dubrez dreht sich zu den Hügeln rechts von ihm. »Da oben, wahrscheinlich hocken da ein paar. Vielleicht aber auch nicht. Wenn wir jedoch keine Patrouillen reiten, werden sie in einem Achttag in allen Ecken dieses Tals angreifen. Im Winter … wollen sie nicht kämpfen, es ist ihnen zu kalt, um lange draußen zu bleiben. Und wo sind wir im Winter? Wir sind unterwegs auf Patrouille … damit sie uns sehen. Machen wir keine Kontrollgänge … greifen sie an. Diese Mistkerle … jeder Einzelne von ihnen.« Der Truppenführer grunzt und schweigt wieder.
Lorn betrachtet den langen Zug vor sich, weiße Dunstwolken steigen über den Pferden auf. Er fragt sich, ob im Winter wohl wirklich keine Angriffe stattfinden und ob die Patrouillen nur durchgeführt werden, um die Lanzenkämpfer in Form zu halten.
»Gibt natürlich schon Angriffe«, fügt Dubrez hinzu, als ob er Lorns Gedanken erraten hätte. »Ein paar Verzweiflungstaten … vielleicht zwei oder drei jeden Winter … aber nicht so viele wie im Frühling, Sommer und Herbst.«
Drei oder vier Angriffe – und die gelten als unbedeutend? Lorn blickt nach Norden zu den dunklen Wolken.
XXV
L orn hört mit
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