Sturm der Barbaren
steigen- und das heißt, dass die Gewinne sinken … und keiner wird mit solchen Aussichten zufrieden sein. Ist es das, was Ihr mir sagen wollt?«, fragt der Kaiser.
»Ja, Eure Majestät.«
Toziel blickt den schwerfälligen Bluoyal an. »Sind meine Vermutungen in Bezug auf den Handel richtig?«
»Äh … ich würde sagen, ja, Eure Majestät.«
»Es werden mehr Lanzenkämpfer gebraucht werden als Marineinfanteristen«, fordert Rynst.
»Was wiederum mehr Gold erfordert«, fügt Chyenfel hinzu.
»Ich wünsche, dass mir in einem Achttag – spätestens in zwei – Eure Schätzungen vorliegen«, verlangt Kaiser Toziel. »Und ich wünsche nicht, dass Ihr diese Schätzungen untereinander austauscht.«
»Ja, Ser«, stimmt Chyenfel sofort zu.
»Zu Befehl«, fügt Rynst dem hinzu.
»Wie Ihr wünscht«, schließt Bluoyal.
Toziel erhebt sich und die drei Berater verbeugen sich tief. Dann verlassen der Kaiser und seine Gemahlin den Raum. Ryenyel hält sich einen Schritt hinter Toziel, bis sie den Audienzsaal verlassen haben und die Tür sich hinter ihnen geschlossen hat. Schweigend kehren sie in den kaiserlichen Salon zurück.
Dort sitzen sie dann Seite an Seite auf dem weißen Diwan. Toziel streichelt zärtlich über den Nacken seiner Gemahlin, dann über die Schultern.
Sie dreht sich zu ihm um. »Chyenfel glaubt selbst, was er erzählt, mein Lieber.«
»Das macht mir Sorgen. Mir wäre es lieber, er täte es nicht.«
»Dir wäre es lieber, er würde lügen?«, fragt sie.
»Nein. Ich weiß, dass er mich zu täuschen versucht, aber wenn er nicht lügt, weiß ich nicht, wann er mich täuscht.«
»Das stimmt, und alle außer Rynst werden Gerüchte in die Welt setzen – und dessen Wahrheit wird auch als Gerücht aufgefasst werden.«
Toziel lacht sarkastisch. »Natürlich. Ich bin schon gespannt, wer wohl welches Gerücht in die Welt setzt.«
Ryenyel zuckt nur müde mit den Schultern und massiert sich die Schläfen mit der rechten Hand.
»Es tut mir Leid. Audienzen wie diese sind zu anstrengend für dich«, meint Toziel.
»Sie sind auch für dich anstrengend.« Sie lehnt den Kopf an seine Schulter. »Jeder weiß etwas, und jeder will wissen, was die anderen tun …«
»Schschschhhhh …«
»Deshalb gibt es einen Kaiser. Dennoch wollen sie dich alle vom Thron stoßen und ihn für sich selbst beanspruchen. Aber jeder Einzelne von ihnen würde versagen und deshalb sind wir gefordert.«
»Du bist zu freundlich, fürchte ich.«
Sie schüttelt den Kopf, der noch immer an seiner Schulter lehnt. »Ich bin nicht freundlich, ich versuche nur, dir zu helfen, das zu tun, was kein anderer zu tun vermag; darunter müssen wir beide leiden.«
Der Kaiser wendet sich ihr zu und schließt sie zärtlich in die Arme.
XXX
L orn steht in den Steigbügeln und versucht, die Beine auszustrecken, während die Stute auf einer Straße dahintrabt, die zwar feucht ist, aber fest wirkt. Der frühe Frühlings- oder auch späte Winterwind bläst dem. Unteroffizier abwechselnd kalt und lau um die Nase. Alles um ihn herum ist braun: das Gras, die Straße, die Hügel im Süden und die im Norden. Sogar die Pfützen auf der Straße sind schmutzig braun.
Die Vorderbeine der Stute starren vor Straßendreck und selbst die unteren Hosenbeine von Lorns einst beigefarbenen Beinkleidern sind mit Schlamm bespritzt, der kalt und nass bleibt, obwohl die Vormittagssonne klar und hell scheint.
»Wenn die Felder erst einmal fester werden …« Die Worte stammen von einem Lanzenkämpfer aus Shofirgs Kompanie und werden mit einem Windstoß zu Nytral und Lorn getragen.
Nytral schüttelt den Kopf. »Die Felder sind wie die großen Sümpfe unter dem Verwunschenen Wald. Wenn man sein Pferd hineinführt, steht es bis zu den Fesseln im Sumpf, und ehe man sich versieht, versinkt es bis zu den Schultern. Die Barbaren wissen das und wir werden sie nicht vor einem weiteren Achttag sehen.«
»Dann sind wir also die Schlammpatrouille? Wir müssen ergründen, wann der Boden fester wird und der Feind die Angriffe wieder startet?« Lorn zieht die Augenbrauen hoch, während er fragt.
»Ja. So lautet im Augenblick der Auftrag der Fünften Kompanie.«
»Die ersten Attacken sollen also für andere aufgespart werden … das ergibt wenigstens Sinn.« Schließlich hat Brevyl Lorn schon gesagt, dass man ihm widerwärtige Aufgaben übertragen werde, aber nicht schwieriger als er bewältigen könne, und auf eine Schlammpatrouille passt die Beschreibung ganz genau:
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