Sturm der Herzen
Ehe zwischen uns nicht in Frage kommt?« Sie senkte den Blick und erklärte mit belegter Stimme: »Nachdem Hugh gestorben war …«, sie schluckte. »Nach Hughs Tod habe ich mir geschworen, nie wieder zu heiraten. Es hat nichts mit dir zu tun. Es ist nur so, dass es … Gründe gibt, warum eine Ehe mit dir oder sonst irgendwem unmöglich ist. Ich werde nicht wieder heiraten.«
Marcus schaute mit gerunzelter Stirn auf ihren gesenkten roten Schopf. Nach Hughs Tod hatte Isabel sich ewige Keuschheit geschworen? Das war schlicht albern. Sie war eine liebreizende junge Frau, die einem Mann viel zu bieten hatte. Es gab keinen Grund, weshalb sie sich einsperren sollte wie eine Novizin in ein Kloster. Je mehr er darüber nachdachte, desto ärgerlicher wurde Marcus. Hugh Manning war ein feiner Kerl gewesen, aber er konnte einfach nicht glauben, dass Isabel ihren Ehemann so sehr geliebt hatte, dass sie den Gedanken an eine Ehe mit einem anderen nicht ertrug. Es war, entschied er, geradewegs beleidigend. Himmel, er hatte einer Frau mindestens so viel zu bieten wie Hugh! Woher, zum Teufel, wollte sie eigentlich wissen, dass er sich nicht als besserer Ehemann entpuppen würde, als Hugh einer gewesen war?
Hastig rief er sich ins Gedächtnis, dass es hier nicht um einen Vergleich seiner Vorzüge als Ehemann mit denen eines Toten ging. Marcus räusperte sich und sagte: »Da du entschlossen scheinst, mich nicht zu ehelichen, bleiben uns nur noch zwei Möglichkeiten.« Er zählte sie an seinen Fingern ab: »Erstens, wenn die Nachricht von unserer Verlobung durchsickert, streiten wir alles ab und stellen Whitley als Verbreiter bösartigen Klatsches hin, oder zweitens, wir bestätigen es und du musst die Verlobung irgendwann lösen.« Mit leisem Spott fügte er hinzu: »Da du mich nun nicht heiraten willst, fürchte ich, wirst du damit leben müssen, als wankelmütig zu gelten. Aber bitte vergiss nicht, es ist deine Wahl. Ich habe dir angeboten, dich zu heiraten.«
Leise entgegnete sie: »Ja, das weiß ich, und ich weiß es auch zu schätzen. Wenn das Schlimmste eintritt und ich als jemand dastehe, der einen Rückzieher macht …« Sie biss die Zähne zusammen. »Es wird eine Weile recht unangenehm sein, ich kann nur hoffen, dass mein Schwiegervater und Edmund nicht unter dem Gerede und den Gerüchten zu leiden haben.«
»Also, was schlägst du vor?«, fragte Marcus. »Abstreiten oder bestätigen, wenn die Frage aufkommt?«
Sie erwogen Vor- und Nachteile der beiden Lösungen noch eine Weile länger, ehe Isabel sagte: »Wir können nichts entscheiden, ehe wir wissen, was Whitley mit der Neuigkeit anstellt.« Sie biss sich auf die Lippe. »Am Ende sagte er vielleicht gar nichts darüber, aber das wäre vollkommen ungewöhnlich für ihn. Ich denke, wir müssen einfach abwarten, ob er es weitererzählt.« Sie verzog das Gesicht. »Und wenn er es tut, dann werden wir die Verlobung bestätigen, und ich löse sie ein paar Wochen später wieder.«
Zögernd willigte Marcus ein, verabschiedete sich kurz darauf von ihr und ritt nach Sherbrook Hall zurück. Er hatte viel zu bedenken. Whitley hatte Isabel mit irgendetwas in der Hand. Was auch immer es war, und Marcus zweifelte nicht, dass es etwas Ernstes war, sie wollte es ihm nicht sagen. Vermutlich sollte er gekränkt sein, dass sie eher gesellschaftliche Verdammung und wilde Gerüchte in Kauf nahm, als ihn zu heiraten. Er lächelte schief. Wie hatte er nur irgendeine andere Reaktion von Isabel erwarten können? Seit ihrer Geburt hatte sie ihn immer wieder in Erstaunen versetzt.
Aber die Lage mit Whitley war komisch, und bei dem Gedanken an den Major verfinsterte sich seine Miene wieder. Er musste mit Whitley fertig werden. Isabel weigerte sich vielleicht, ihn zu ehelichen, aber sie konnte nicht verhindern, dass er in der Angelegenheit Major Whitley so verfuhr, wie es ihm zusagte. Welche Macht oder welches Geheimnis auch immer er über Isabel wie ein Damoklesschwert hielt, musste er einfach herausfinden und zerstören; er war genau der richtige Mann dafür. Ein gefährliches, tödliches Glitzern trat in seine Augen. Julian und Charles hätten dieses Glitzern sogleich erkannt und sein Auftauchen mit Erleichterung und Begeisterung begrüßt. Der Tiger, von dem beide Cousins wussten, dass er in dem vorsichtigen und liebenswerten Marcus Sherbrook schlummerte, war endlich aufgewacht.
3
I sabel hatte Whitley Unrecht getan. Obwohl ihm Sherbrooks verblüffende Erklärung noch in den Ohren klang,
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