Sturm der Herzen
deine Mutter erst heute Morgen getroffen. Wir sind alte Freunde; wir kennen uns aus Indien.«
Edmunds blaue Augen leuchteten. »Sie kannten Mutter in Indien?« Eifrig erkundigte er sich: »Kannten Sie auch meinen Vater?«
»Ja, natürlich«, erwiderte Whitley sogleich. »Dein Vater und ich waren gut befreundet. Ich kannte ihn schon, ehe er deine Mutter geheiratet hat.«
»Bei Jupiter!«, rief Edmund und strahlte ihn freudig erregt an. »Das ist ja wundervoll! Hat Mutter Sie nach Manning Court eingeladen? Ich weiß, dass mein Großvater gerne einen Freund meines Vaters aus Indien kennen lernen würde.« Schüchtern fügte er hinzu: »Ich hoffe, Sie halten mich nicht für vorlaut, aber mein Vater ist schon vor vielen Jahren gestorben, und ich weiß so wenig über ihn. Mutter und Großvater haben mir so viel von ihm erzählt, wie sie nur können, aber Mutter spricht nicht gerne über Indien. Ich glaube, es ist zu schmerzlich für sie und erinnert sie an seinen Tod. Ich wäre überaus dankbar, wenn ich etwas über meinen Vater hören würde von jemandem, der ihn damals kannte.«
Whitley war sich bewusst, dass Keating ihn argwöhnisch musterte. Zuvor hatte Whitley mit keinem Wort angedeutet, dass er Isabel kannte - er hatte sogar erklärt, er sei ein Fremder hier -, und er machte sich Sorgen, dass seine Behauptung, er kenne Mrs Manning von früher, verdächtig erscheinen könnte. Unter Keatings jovialer Art verbarg sich ein scharfer Verstand; Whitley bezweifelte, dass in der Gegend viel geschah, wovon der Wirt oder seine Frau nichts wussten.
»Wirklich ein großer Zufall«, bemerkte Keating langsam, seine sanften blauen Augen auf Whitleys Gesicht gerichtet, »dass Sie mit Mrs Manning bekannt sind.«
Whitley setzte eine Unschuldsmiene auf. »Sie hätten mich mit einer Feder umwerfen können, als ich ihr heute Morgen zufällig begegnet bin. Ich habe mein Pferd an den Wegrand gelenkt, um eine Dame vorbeizulassen, als ich sie erkannte. Wir haben uns beide sogleich wiedererkannt. Es ist schwer zu sagen, wer von uns beiden erstaunter war.«
»Ich wette, Mutter war überglücklich, Sie zu sehen«, erklärte Edmund, »und kann es kaum erwarten, meinem Großvater die guten Neuigkeiten zu erzählen. Hat sie Sie eingeladen, mit uns zu Abend zu essen?«
Voller Schadenfreude angesichts der Schwierigkeiten, die er für Isabel am Horizont aufziehen sah, wenn ihr Sohn heimkehrte, lächelte Whitley. »Nein, das hat sie nicht«, erwiderte er, »aber ich glaube, das lag an dem Gentleman, der wenige Minuten später zu uns stieß. Ein Mr Sherbrook? Ein großer eindrucksvoller Herr? Ein Nachbar, denke ich.«
Edmund grinste. »Mr Sherbrook ist ein guter Freund von mir, aber er und Mutter gehen sich in der Regel aus dem Weg. Ich glaube, meine Mutter war abgelenkt, weil sie darüber nachgedacht hat, wie sie ihm am besten entkommen kann, und hat dabei vergessen, Sie einzuladen.«
»So, Master Edmund, ich glaube, du hast Major Whitley genug geplagt«, unterbrach Keating ihn.
Whitley verbarg seine Verärgerung, er wusste sehr gut, was Keating vorhatte. Der Wirt war offenbar der Ansicht, dass der Junge genug gesagt hatte, und versuchte ihn abzulenken. Obwohl ihn das ärgerte, war Whitley dennoch recht zufrieden mit dem Ergebnis dieser kleinen Unterhaltung. Es würde sogar noch befriedigender werden, wenn er auch noch seine letzte Neuigkeit verbreitet hatte.
Mit verwunderter Miene stellte Whitley fest: »Das verstehe ich leider nicht. Es gab kein Anzeichen dafür, dass deine Mutter heute Morgen Mr Sherbrooks Gesellschaft meiden wollte. Ganz im Gegenteil: Mr Sherbrook hat verkündet, dass sie verlobt seien.«
Verblüfftes Schweigen senkte sich über den Raum. Whitley genoss es über die Maßen, schaute von einem verdutzten Gesicht zum anderen.
»Das müssen Sie falsch verstanden haben«, erklärte Keating stirnrunzelnd. »Es ist nie ein Wort über eine Verlobung zwischen ihnen gefallen.«
»Mutter und Mr Sherbrook? Oh, das kann nicht stimmen«, platzte Edmund heraus, und ihm traten beinahe die Augen aus dem Kopf.
»Mr Sherbrook hat Sie aufs Glatteis geführt«, stellte Sam Keating unverblümt fest. »Alle Welt weiß, dass die beiden einander nicht ausstehen können.«
Whitley zuckte die Achseln. »Es tut mir leid, meine Herren, aber Mr Sherbrook hat unmissverständlich erklärt, dass er und Mrs Manning verlobt seien.«
»Und Mutter hat ihm die Worte nicht ins Gesicht geschleudert?«, fragte Edmund.
»Nein. Genau genommen, wenn ich
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