Sturm der Herzen
mich recht entsinne, hat sie ihm sogar erlaubt, ihr ritterlich die Hand zu küssen, und ihn dabei angeschaut, als könnte er ihr den Mond und die Sterne vom Himmel holen.« Er räusperte sich. »Es war wirklich ganz rührend.«
Die drei anderen schauten einander an, dann wieder Whitley.
»Quatsch!«, rief Keating entschieden. »Ich habe nie zuvor solchen Unsinn gehört.«
»Was für einen Unsinn?«, erkundigte sich seine Frau, die gerade geschäftig den Raum betrat, ein Tablett mit sauberen Gläsern und Krügen in den Händen.
Keating, Edmund und Sam begannen alle auf einmal zu antworten, und nachdem Mrs Keating eine Weile dem Durcheinander zugehört hatte, stellte sie das Tablett auf den Tresen und hob eine Hand, sie erklärte: »Immer nur einer, bitte.«
Mit einem mürrischen Blick zu Whitley sagte Keating: »Lass es dir von ihm erzählen. Er hat es behauptet.«
Mrs Keating richtete ihren freundlichen Blick auf den Major. »Nun, Major Whitley? Was versetzt die drei Wirrköpfe hier in solche Aufregung?«
»Oh, nur die Nachricht, dass Mrs Manning und Mr Sherbrook sich verlobt haben«, sagte er ruhig. »Mr Sherbrook hat es mir heute Morgen selbst gesagt. Mrs Manning war dabei.«
Mrs Keating war überrascht. Ihr rundes Gesicht zeigte ihre Verblüffung, als sie ausstieß: »Was Sie nicht sagen! Ich habe nie etwas in der Richtung gehört.« Nachdenklich fügte sie hinzu: »Obwohl natürlich Mr Sherbrook seine Karten immer bedeckt hält und Mrs Manning ihre Unterwäsche bestimmt nicht in aller Öffentlichkeit zu waschen pflegt.« Ein Lächeln kräuselte ihre Lippen. »Ich habe immer schon gedacht, dass die beiden sich auffällig betont aus dem Weg gehen. Vielleicht wollten sie in Ruhe ihre Bekanntschaft vertiefen.«
Sie schaute zu Edmund, der mit offenem Mund dastand. »Nun, junger Mann, was hältst du davon, Sherbrook zum Stiefvater zu bekommen?«
Edmund schloss den Mund hörbar. Er schluckte, holte tief Luft. Eine Mischung aus Ehrfurcht und Entzücken malte sich auf seinen Zügen, dann hauchte er: »Nichts wäre mir lieber! Und Großvater wird auch ganz aus dem Häuschen sein. Er hat schon so oft zu mir gesagt, dass Sherbrook für Mutter einen ausgezeichneten Ehemann abgeben würde - auch wenn sie zu stur sei, das selbst zu sehen.«
Keating lachte. »Ja, ich kann den alten Baron das förmlich sagen hören.«
Überaus zufrieden mit dem Ergebnis seiner Einmischung bemerkte Whitley: »Ich nehme an, deine Mutter wird es dir gleich erzählen, wenn du nach Hause kommst.«
»O ja, sicher!«, rief Edmund lachend. Er stellte sein leeres Glas auf den Tresen, verabschiedete sich und lief aus dem Gasthof.
Isabel genoss gerade im Grünen Salon, den die Familie privat nutzte, eine Tasse Tee mit ihrem Schwiegervater. Es war ein gemütliches Zimmer: Die Wände waren mit blassgrüner goldgemusterter Seide bespannt, cremefarbene Vorhänge schmückten die bodenlangen Fenster, und ein dicker Wollteppich mit einem Muster in Grün, Rosa und Creme bedeckte den größten Teil des schimmernden Walnussparketts. Bequeme Sofas und Polstersessel mit einem Bezug in denselben Farbtönen wie der Teppich standen locker verteilt im Raum; elegante Rosenholztischchen standen dazwischen.
Trotz des frühlingshaften Wetters lag am späten Nachmittag noch Kälte in der Luft, weswegen ein kleines Feuer in dem Kamin aus dunkelgrünem Marmor brannte. Um die Wärme des Feuers auszunutzen, saßen Isabel und Lord Manning nicht weit davon entfernt.
Isabel hatte gerade ihre Tasse Tee an die Lippen gehoben, als die Doppeltür zum Salon aufgestoßen wurde und Edmund hereingestürmt kam. Wie immer schwoll ihr das Herz vor Freude, wenn sie ihren Sohn sah. Er war, dachte sie mit berechtigtem Mutterstolz, ein feiner Junge.
Edmunds junge Züge wiesen wenig Ähnlichkeit mit Isabels auf. Er war eindeutig mehr Sohn seines Vaters, hatte dessen weizenblondes Haar geerbt, seine blauen Augen und sein gewinnendes Lächeln, seinen kräftigen Körperbau. Der alte Baron sagte oft, Edmund könnte der Zwillingsbruder seines Vaters im selben Alter gewesen sein.
Eben diese leuchtend blauen Augen voll fieberhafter Aufregung, lief Edmund zu seiner Mutter und stellte sich vor sie. »Stimmt es?«, fragte er mit sich beinahe überschlagender Stimme. »Wirst du wirklich Mr Sherbrook heiraten? Dein Freund Major Whitley behauptet, dass Mr Sherbrook es ihm heute Morgen gesagt habe und du es nicht abgestritten hast. Oh, Mutter, das ist einfach wundervoll!« Edmund drehte sich zu
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