Sturm der Herzen
etwa fünfzehn Minuten in Whitleys Zimmer eingedrungen war, die Räume gründlich durchsucht hatte. Sie konnte nicht sicher sein, aber sie glaubte nicht, dass er entdeckt hatte, weswegen er gekommen war. Hatte er etwa dasselbe gesucht wie sie? Aber wie konnte das sein? Selbst sie wusste nicht, was es war, wonach sie suchte, wie also konnte der Unbekannte das wissen? Jetzt, da klar war, dass es Marcus gewesen war, entschied sie, dass es ein zu großer Zufall wäre, wenn er dasselbe gesucht hätte wie sie. Klar war auch, dass er nicht sie gesucht hatte. Er war ebenso erschreckt gewesen wie sie, als sie einander erkannten. Warum also hatte dieses Muster an Achtbarkeit, der Liebling aller Eltern heiratsfähiger Töchter, der hoch angesehene Mr Marcus Sherbrook sich im Schutz der Dunkelheit in das Zimmer eines anderen Mannes geschlichen und dessen Habseligkeiten durchsucht? Der Marcus, den sie kannte, hätte nie im Leben so etwas getan, etwas so … so … Unhöfliches, überlegte sie mit einem halb hysterischen Kichern, während sie ihm aus dem Fenster folgte.
Marcus wartete unten auf sie, und seine Hände schlossen sich um ihre Taille, ehe sie am Boden angekommen war. Mühelos hob er sie herunter und stellte sie vor sich.
Ohne sie loszulassen, deutete er mit dem Kopf zu einem kleinen Gehölz hinter den Stallungen des Gasthofes. »Mein Pferd ist dort festgebunden«, erklärte er halblaut. »Wo ist deines?«
Sie schaute über ihre Schulter in die entgegengesetzte Richtung. »Ich habe meines hinter dem Häuschen der alten Mrs Simpson angebunden, ein Stück die Straße runter.«
Eine Hand unnachgiebig um ihr Handgelenk geschlossen ging Marcus in Richtung der Bäume, wo sein Pferd wartete, er zog sie einfach hinter sich her. »Fein. Wir werden jetzt gleich dein Pferd holen.«
Isabel hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass es Kämpfe gab, die man nicht gewinnen konnte. Der hier gehörte eindeutig zu der Sorte, daher folgte sie ihm widerstandslos, unternahm keinen Versuch, ihm zu entkommen. Sie erreichten die Stelle, wo sein Pferd stand; nachdem er es losgebunden hatte und aufgesessen war, zog er sie vor sich in den Sattel.
Sie waren still, während er das Tier durch die Dunkelheit lenkte, einen Bogen um den Gasthof machte und dann zu Mrs Simpsons Häuschen ritt. Es war schon spät genug, sodass drinnen kein Licht mehr brannte. Es gab keinen Grund zur Sorge, als Isabels Pferd bei ihrem Näherkommen leise wieherte und Marcus’ darauf antwortete. Denn Mrs Simpson war stocktaub.
Sobald Isabel aufgesessen war, nahm Marcus vorsichtig die Zügel ihres Pferdes und drängte sein Pferd wieder zurück zum Gasthof.
»Was tust du da?«, fragte Isabel zischend. »Das hier ist die falsche Richtung.«
»Ich bin nicht allein hier«, teilte Marcus ihr mit. »Ich muss auf meinen Begleiter warten.«
Marcus zog kurz in Erwägung, seinen Cousin sich selbst zu überlassen und mit Isabel nach Manning Court zu reiten, er war der Ansicht, dass Jack es auch allein meistern würde. Je weniger Leute von dem Debakel heute Nacht wussten, desto besser, aber er wollte nicht einfach wegreiten, ohne Jack zu informieren. Er verzog den Mund. Er konnte Jack kaum eine Nachricht senden, in der er ihn darüber in Kenntnis setzte, dass er urplötzlich seine Pläne hatte ändern müssen, noch konnte er riskieren, dass Jack ihn suchen kam. Sobald Jack den Gasthof verlassen hatte und ihn nicht draußen wartend vorfand, würde er sich vermutlich auf die Suche nach ihm machen, und zwar dort beginnend, wo er seines Wissens nach zuletzt gewesen war - in Whitleys Zimmer. Das konnte Marcus nicht zulassen, das war viel zu gefährlich. Ihm blieb keine andere Wahl, als auf Jack zu warten, was wiederum bedeutete, dass Isabel mit ihm warten musste. Das Letzte, was er wollte, war, Isabel Jack unter diesen Umständen vorzustellen, aber das offene Gespräch, das er mit ihr führen wollte, zu verschieben, indem er sie nach Manning Court reiten ließ - ohne Begleitung, wohlgemerkt -, schien ihm auch keine gute Lösung. Dann war da noch Jack … Jack würde dringend erfahren wollen, was er in Whitleys Räumen entdeckt hatte, so wie er selbst gerne wissen wollte, ob Whitley Jack etwas verraten hatte. Beides war für Mrs Mannings Ohren nicht geeignet. Der Austausch von Information konnte zwar verschoben werden, bis sie in Sherbrook Hall eintrafen - was, wie er seufzend einsah, erst stattfinden konnte, nachdem er seine Verlobte nach Hause gebracht hatte, also wesentlich
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