Sturm der Herzen
hasste sich selbst dafür, dass sie sich so aufführte, zwang aber ein höhnisches kleines Lächeln auf ihre Lippen und erklärte: »Du weißt natürlich, dass du die Verlobung jederzeit auflösen kannst, wenn dir die Situation nicht zusagt.«
»Ach, das würde dir gefallen, was?«
»Allerdings! Ich wollte dich von Beginn an nicht heiraten.«
Damit hatte sie es zu weit getrieben. Ihm riss der Geduldsfaden, und er überraschte sie beide gleichermaßen, indem er Isabel einfach packte, sie von ihrem Pferd zog und sie vor sich setzte. Schwer atmend und ihren sich windenden Körper fest an sich drückend, zischte er: »Jetzt hörst du mir mal gut zu, Frau: Du gehörst mir! Ich werde dich nicht teilen, und - bei Gott - wir werden heiraten, hast du das verstanden?!« Damit senkte er seinen Mund auf ihren und küsste sie besitzergreifend, als wollte er ihr ein für alle Mal seinen Stempel aufdrücken.
Das hier war kein süßer, sanfter Kuss zwischen Frischverliebten; er war wütend, verzweifelt und voller dunkler Leidenschaft, die alle anderen Gedanken vertrieb. Marcus küsste sie, wie er nie zuvor jemanden geküsst hatte, verlangte eine Antwort von ihr, wollte, dass sie dieselben primitiven Empfindungen verspürte, die durch ihn tobten. Und das tat sie. Nach der ersten erschrockenen Sekunde wehrte sich Isabel nicht länger, wollte sich nicht mehr aus seinen Armen winden; vielmehr reckte sie sich ihm entgegen, ihre Lippen so hungrig und nachdrücklich wie seine, ihre Hände umklammerten seine Schultern, als wollte sie ihn nie wieder gehen lassen. Sie wollte das hier. Sie wollte ihn .
Blind vor Verlangen verlor sich Marcus in der Süße ihres Mundes, küsste sie wieder und wieder, nahm nichts mehr wahr als die Frau auf seinem Schoß und ihre wilde Reaktion auf ihn. Seine Hand glitt zu ihrer Brust, er umfing sie und wog sie zärtlich; Isabel stöhnte leise vor Lust, und Verlangen durchbohrte ihn heiß.
Das Schnauben und plötzliche Kopfschütteln seines Pferdes beendeten den Augenblick jäh, als ob es ihn nie gegeben hätte. Wieder zu Sinnen kommend, löste Marcus seinen Mund von Isabels und spähte in die Dunkelheit. Da kam jemand.
Er fluchte lautlos, fragte sich, wo sein Verstand geblieben war, und setzte Isabel wieder zurück auf ihr Pferd. Im durch die Zweige über ihnen unsteten Licht des Mondes zeigte ihm ein Blick, dass ihr Hut schief saß, ihr Haar zum Teil darunter vorgerutscht war und sich wild um ihr Gesicht lockte. Sie war ebenso erregt wie er selbst, ihre Augen voller schwüler Versprechen, ihre Lippen halb geteilt, als wartete sie auf seinen Kuss. Schwer atmend starrten sie einander an, Verlangen lag fast greifbar in der Luft zwischen ihnen, und es tröstete Marcus in gewisser Weise, dass er mit diesen Gefühlen nicht allein war.
Das Klirren von Zaumzeug ganz in der Nähe lenkte ihn einen Moment ab, er schaute in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, versuchte sich zu konzentrieren. Jemand pfiff leise, und er erkannte das Erkennungszeichen, auf das er und Jack sich geeinigt hatten, ehe sie sich getrennt hatten. Derjenige, der unter den Bäumen langsam zu ihnen ritt, war Jack. Wie, zum Teufel, sollte er ihm Isabel erklären? Er lächelte grimmig. Zur Hölle damit. Wenn Jack sie auch nur schief ansah oder heute Nacht mit einer Silbe erwähnte, würde er ihn wohl erschießen müssen - und das würde ihm gar nicht gefallen.
Isabel merkte, dass Marcus’ Aufmerksamkeit nicht länger ihr allein galt; sie schaute sich um, hoffte verzweifelt, dass sich ein Ausweg aus dem Dilemma hier bieten würde. Ein überraschtes Keuchen entwich ihr, als sie die Zügel ihres Pferdes lose nach unten hängen sah. Während ihrer leidenschaftlichen Umarmung waren sie Marcus unbemerkt entglitten; sie riss sich zusammen, fasste mit heftig klopfendem Herzen nach unten und holte sie sich. Ihre Gedanken überschlugen sich schier, während sie überlegte, wie sie als Nächstes am besten vorgehen sollte. Sie war kein Feigling und kümmerte sich gewöhnlich nicht um die feineren Nuancen der Vorschriften der guten Gesellschaft, aber selbst sie konnte nichts Gutes daran finden, wenn sie Marcus’ Cousin kennen lernte, während sie Knabenkleider trug und sich offenbar des Nachts allein in der Gegend herumtrieb. Es gab zu viele Fragen, auf die Antworten gefunden werden mussten, Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Sie nahm ihren Mut zusammen, holte tief Luft und drückte ihrem Pferd die Fersen in die Flanken. Das Pferd
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