Sturm der Herzen
ungezwungener gesprochen hat, als er es sonst getan hätte. Flüsternd und dabei ständig über seine Schulter blickend hat er mir anvertraut, er glaubte, Sie wären der Räuber, weshalb er Ihnen Rache geschworen hat.«
Marcus’ Brauen hoben sich. »Nun, das ist eindeutig das Albernste, was ich je gehört habe! Der Mann muss den Verstand verloren haben. Warum sollte ich einen Mann überfallen, den ich kaum kenne? Ich habe ihn schließlich nur ein einziges Mal getroffen und, ehrlich gesagt, mochte ihn nicht sonderlich. Lassen Sie sich versichern, dass das Sherbrook-Vermögen groß genug und sicher genug ist, dass ich nicht gezwungen bin, es aufzubessern, indem ich Leute wie Whitley ausraube.«
Garrett betrachtete ihn eine Weile stumm, dann sagte er: »Was genau das ist, was ich ihm auch gesagt habe, aber ich will Sie warnen, Sherbrook, dass Sie hier einen Feind haben, der wild entschlossen ist, Ihnen etwas anzutun.«
Marcus verbeugte sich. »Dafür danke ich Ihnen.« Er kannte Garrett nicht gut, aber Marcus begann zu glauben, dass - wenn sich die Gelegenheit böte - Mr Manning einen wertvollen Verbündeten abgeben würde. Garrett mochte zügellos und verantwortungslos sein, aber er schien verborgene Qualitäten zu besitzen, die ihn zu jemandem machten, den man in einem Kampf gerne auf seiner Seite wusste; das gefiel Marcus. Es war klar, dass Garrett nicht völlig überzeugt war, dass Marcus der geheimnisvolle Angreifer Whitleys gewesen war, aber er war auch vom Gegenteil nicht überzeugt.
Mit einem Lächeln fragte Marcus: »Sagen Sie, bitte, ist Whitley eigentlich ein besonderer Freund von Ihnen?«
Garrett schnaubte abfällig. »Habe den Kerl bis neulich Nacht nicht gekannt.«
»Aber er hat Ihnen, einem Wildfremden, erzählt, er verdächtige mich? Er kann schließlich nicht wissen, ob wir am Ende beste Freunde sind. Ich wundere mich, warum er so offen mit Ihnen über seinen Verdacht gesprochen hat.«
»Er war schon halb betrunken und wusste außerdem von einer früheren Unterhaltung, dass ich mit Mrs Manning verwandt bin.« Garrett grinste. »Er hat mich beschworen, alles in meiner Macht Stehende zu unternehmen, um die Hochzeit zu verhindern und Mrs Manning vor einer furchtbaren Ehe zu retten. Er sei, hat er gesagt, ein alter Freund und habe daher nur ihr Wohl im Auge; er wäre am Boden zerstört, wenn sie einen Mann ehelichte, den er als Erzschurken und Räuber obendrein bezeichnete.«
Marcus’ graue Augen glitzerten gefährlich. »Ach ja? Ich müsste Whitley vielleicht mal einen Besuch abstatten und ihm das eine oder andere klarmachen.«
Garrett lachte. »Nicht nötig. Ich habe ihm versprochen, ihm zu zeigen, wie geschickt ich mit meinen Fäusten bin, und ihm einen gezielten Hieb zu verpassen, wenn er auch nur ein Wort davon in Umlauf bringt.«
»Wie es scheint, stehe ich in Ihrer Schuld«, erwiderte Marcus leichthin.
»Ist mir ein Vergnügen.« Er warf Marcus einen besorgten Blick zu. »Seien Sie vorsichtig, Marcus. Er will Ihnen schaden.«
»Noch einmal, danke für die Warnung.« Marcus griff nach der Klingelschnur neben sich und fügte hinzu: »Wollen Sie nun vielleicht Ihren Onkel sehen?«
Garrett nickte. »Ja, bitte, das würde ich sehr gerne.«
Nachdem Garrett in Deerings Begleitung das Zimmer verlassen hatte, setzte sich Marcus wieder auf den bequemen Polstersessel und goss sich neuen Kaffee ein, trank davon und ging in Gedanken durch, was er eben erfahren hatte. Er hatte sich keine sonderliche Mühe gegeben, seine Identität geheim zu halten, daher war es keine große Überraschung, wenn Whitley erraten hatte, wer er war. Dass Whitley seinen Verdacht Garrett gegenüber laut ausgesprochen hatte, erstaunte ihn hingegen schon. Nach so kurzer Bekanntschaft konnte er Garrett unmöglich vertrauen. Oder war Whitley einfach zu betrunken gewesen, auf seine Worte zu achten? Marcus entschied, dass es höchstwahrscheinlich Letzteres war, aber es war ebenso offensichtlich, dass Whitley versucht hatte, so viel Unruhe wie nur möglich zu stiften. Er nahm noch einen Schluck von seinem Kaffee. Das klang schon eher nach Whitley. Er lächelte, als er an die Hochzeit vor ein paar Stunden dachte. Whitley wäre sehr, sehr unglücklich, wenn er davon hörte.
Der restliche Tag verlief ohne weiteren Zwischenfall. Abgesehen von den gelegentlichen Besuchern am Nachmittag und Glückwünschen zur Hochzeit oder sorgenvollen Briefen störte nichts den gewohnten Ablauf. Lord Manning schlief die meiste Zeit, aber er wachte
Weitere Kostenlose Bücher