Sturm der Leidenschaft: Er suchte einen verborgenen Schatz - und fand die Liebe seines Lebens (German Edition)
gehen. In dieser Gesellschaft zählte Geld mehr als Ehre, dachte Graham zynisch.
Sorge nagte an ihm. Die Familie hatte in jüngster Zeit einige schwere finanzielle Einbußen erlitten. Die Verluste bei der Baltimore & Ohio waren beträchtlich gewesen, die Preise in der Landwirtschaft waren im Keller, und die Ernte fiel schlecht aus. Dennoch schien Kenneth zuversichtlich, dass sie sich wieder erholten. Das mussten sie auch, wenn Grahams Plan aufgehen sollte. Sie mussten um seines Bruders willen.
Obschon ihm der Ehrbegriff der Beduinen nicht in die Wiege gelegt war, trug er ihn doch in sich. Er wollte seine Familie vor einem Skandal schützen. Trotzdem bestand seine einzige Chance auf Vergeltung darin, die Bestie auszulöschen. Al-Hamra würde sterben, sein liederliches Gebaren vor seinesgleichen enthüllt und sein Ansehen auf ewig vernichtet werden – selbst wenn seine Bloßstellung vor der vornehmen Gesellschaft bedeutete, dass Grahams eigene Scham zur Schau gestellt wurde.
Aber seine Scham würde mit ihm am Galgen sterben. Zwar sehnte er sich nicht nach dem Tod, doch ein Ende des Schmerzes wäre ihm durchaus willkommen.
Graham blickte in die sorgenvollen blauen Augen, die ihm in dem vergoldeten Spiegel begegneten, und schluckte das Brennen in seinem Hals hinunter. Kenneth hatte Badra und Jasmine. Sie konnten nicht verstehen, wie finster es in ihm aussah.
Er rang sich ein Lächeln ab und sagte auf Englisch: »Keine Sorge. Bei Huntlys soll ein veritabler Andrang herrschen. Wenn er dort ist, werde ich ihn wahrscheinlich gar nicht sehen.«
Doch als der Kammerdiener an seinen Manschetten zupfte, fiel Grahams Blick wieder auf das Spiegelbild seines Bruders. Sie beide wussten, dass es nur eine Frage der Zeit war.
Graham wartete, bis sowohl der Kammerdiener als auch sein Bruder gegangen waren. Dann ging er ins Schlafzimmer und drückte einen Haken in der Holzvertäfelung an der Wand gegenüber der Tür herunter. Der Mechanismus öffnete ein verstecktes Fach. In dem alten Haus gab es zahlreiche solcher Geheimnisse.
Die Wandnische enthielt einen großen Zedernholzkasten. Graham angelte einen Schlüssel aus der obersten Schublade der hohen Schlafzimmerkommode und öffnete die Kiste. Darin befanden sich wahre Reichtümer: eine halbe Papyruskarte, die zu einem vergrabenen Schatz führte, ohne die fehlende zweite Hälfte jedoch unbrauchbar war, eine vergilbte Photographie seiner Eltern, mehrere Bündel Pfundnoten. Graham hatte sich vorgenommen, nie wieder ohne Geld zu sein. Beim Anblick der Photographie überkam ihn die altbekannte Trauer. Behutsam strich er darüber. Von dem Bild blickten ihm die ernsten braunen Augen seiner Mutter entgegen.
Was für ein bezauberndes Kind, dein Graham!, hatten ihre Freundinnen früher gesagt . Er sieht genau aus wie du, liebe Miranda – so hübsch!
Was für ein hübscher Junge!, hörte er das böse, tiefe Flüstern in seinem Kopf.
Grahams Bauch krampfte sich zusammen. Die Papyruskarte führte zu einer kleinen goldenen Statue und einem unbezahlbaren Smaragd, die tief im Sand der ägyptischen Wüste verborgen waren. Al-Hamra besaß die fehlende Hälfte.
Entschlossen verdrängte Graham seine Wut und seine Reue und griff tiefer in die Kiste. Dann wickelte er einen länglichen Gegenstand aus einem blauen Stoffstück aus, legte ihn auf die Kommode und verschloss die Kiste wieder in der Wandnische. Anschließend nahm er die Lederhülle auf und betrachtete sie.
Im Gegensatz zur Jambiya, die er in Ägypten stets bei sich getragen hatte, war dieser Dolch eigens für ihn angefertigt worden. Er war klein und schmal genug, dass Graham ihn in der Manschette tragen und von dort jederzeit in seine Hand gleiten lassen konnte.
Nun steckte er die Waffe ein, ging aus dem Zimmer und den Flur hinunter, um sich zu Huntlys Ball fahren zu lassen.
Kapitel 3
E in grauer Geist starrte Jillian aus dem Spiegel entgegen. Wie immer war sie in dumpfes Grau gewandet, diesmal in glanzloser Seide. Winzige Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Ihr Versuch, tief durchzuatmen, wurde von dem Walknochenkorsett vereitelt.
Während ihre Zofe an dem Kleid herumzupfte, musste Jillian sich zusammennehmen, um keine Grimasse zu ziehen. Ihr ganz und gar nicht modisches Ballkleid hatte ein hochgeschlossenes Oberteil und war insgesamt sehr streng geschnitten. Wie gern würde sie nur ein einziges Mal Smaragdgrün tragen und ihre mit winzigen Sommersprossen gesprenkelten Schultern zeigen. Dieselben zarten
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