Sturm der Leidenschaft: Er suchte einen verborgenen Schatz - und fand die Liebe seines Lebens (German Edition)
Sommersprossen, die im gedämpften Licht des Bordells nicht zu sehen gewesen waren.
Ob Graham Sommersprossen mochte? Würde er in einem anderen Leben jede einzelne von ihnen küssen, ihr mit heißen Lippen seine Reverenz erweisen?
Graham, der gutaussehende Adlige, der ihr die Unschuld nahm. Er hatte einen ganz leichten Akzent gehabt, den sie nicht erkannte, aber seine Haltung wie seine Statur ließen keine Zweifel daran, dass er wohlhabend sein und eine hohe Position bekleiden musste. Wie entsetzlich peinlich wäre es, sollte sie ihm heute Abend begegnen!
Und wie überaus schön, ihn wiederzusehen.
Jillian strich sich übers Kleid. Elfenbeinfarbene Spitze ragte unten aus den langen Ärmeln hervor. Jillians Haar war zu einem festen Knoten aufgesteckt, der ihren Kopf schmerzen ließ. Lord Stranton bestand darauf, dass seine Tochter stets sehr streng frisiert war, empfand er ihr rotes Haar doch als Handicap. In einem Anflug von Rebellion zupfte Jillian einige Strähnen frei.
In Radcliffe würde sie kein Korsett tragen, beschloss sie, und erst recht keine so strenge Frisur.
In der Kutsche saß sie ihrem Vater gegenüber neben ihrer Anstandsdame, Tante Mary. Ihre Mutter war den Tag über in ihren Gemächern geblieben. Sie gab vor, Migräne zu haben. Jillian wandte sich an ihre Tante, den einzigen Menschen, der ihr jemals zuhörte.
»Ich habe von dem Wirtschaftsindex gelesen, den Mr. Dow veröffentlichte. Er hat außerdem noch einen Eisenbahnindex geschaffen«, bemerkte sie.
Ihre Tante sah sie fragend an. »Glaubst du, Eisenbahnaktien sind immer noch eine lohnende Investition?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie alle Konkurs gehen wie Baltimore & Ohio. Mich interessiert vor allem, wie der Präsidentschaftswahlkampf wird. Da dürfte manches klarer werden.«
Nach einem kurzen Blick zu Jillians Vater, der schweigend aus dem Kutschenfenster sah, senkte ihre Tante die Stimme. »Inwiefern?«
»Nun, Mr. Bryan plädiert für den Silberstandard, während Mr. McKinley den Goldstandard verteidigt.«
»Und was glaubst du, wer gewinnen wird?«
Jillian überlegte. »Mr. McKinley. Er vertritt die amerikanischen Wirtschaftsinteressen, und Handel und Industrie bleiben die wahren Mächte in Amerika. Außerdem kann nach dem Sherman Silver Purchase Act niemand mehr ernstlich erwägen, die Währung durch Silber zu stützen.«
»Demnach sollte Mr. Pepperton also über Gold nachdenken?«
»Mr. Pepperton tat gut daran, seine Anteile an den Silberminen zu dem Zeitpunkt zu verkaufen, als er es tat.«
»Mr. Pepperton wurde auch gut beraten«, murmelte Mary.
Jillian unterdrückte ein Lächeln. Der mysteriöse Mr. H. M. Pepperton war eine Figur, die Mary sich nach dem Tod ihres amerikanischen Ehemanns ausgedacht hatte. Horace hatte ihr nur ein kleines Erbe hinterlassen, von dem Marys Anwälte ihr ein äußerst bescheidenes Einkommen zukommen ließen. Jillian dachte daran, dass Mr. Pepperton Marys Geld bereits verdoppelte, indem er es in mehrere Unternehmen investierte oder zum richtigen Zeitpunkt Aktien verkaufte.
»Mr. Pepperton erhält guten Rat, weil er seinem Berater zuhört – obwohl dieser Berater eine Frau ist«, flüsterte Jillian.
Als hätte er erst jetzt ihre Unterhaltung mitbekommen, wandte ihr Vater sich stirnrunzelnd zu Jillian. Er fixierte sie mit seinem strengen Blick – kritisch, urteilend, als wäre sie ein Kunstgegenstand bei einer Versteigerung.
»Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du nicht schwätzen sollst, Jillian? Nichts schreckt einen Mann mehr ab als eine Frau, die vorgibt, so klug wie ein Mann zu sein. Ich erwarte von dir, dass du dich heute Abend untadelig und respektabel verhältst. Deine Verlobung mit Mr. Augustine ist mir wichtig. Ich brauche seine Hilfe, um meinen Reformantrag im Unterhaus durchzubekommen. Wird er angenommen, dürfte meine politische Karriere ein gutes Stück vorankommen. Und als Gegenleistung für deine Hand versprach Mr. Augustine einen hochanständigen Ehevertrag.«
Mehr noch als letzte Nacht kam Jillian sich in diesem Moment wie eine Hure vor. Sie wurde verkauft, um das Säckel ihres Vaters aufzufüllen. Mitfühlend drückte Mary ihr kurz die Hand.
Gleich darauf hielt die Kutsche abrupt an. Jillian stieg aus. In ihren weichen Ziegenlederschuhen bewegte sie sich lautlos über den roten Teppich, der zum Eingang der Huntlys führte. Sie rang sich ein Lächeln ab, als sie durch die große Bogentür des eleganten Herrenhauses in Mayfair schritt, flankiert
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