Sturm der Leidenschaft: Er suchte einen verborgenen Schatz - und fand die Liebe seines Lebens (German Edition)
von ihrem rothaarigen Vater in Frack und weißer Krawatte sowie ihrer dunkelhaarigen Tante im schwarzen Seidenkleid. In einem kleinen Damensalon legten sie ihre Capes ab, wobei Jillian sich wie ein Vogel fühlte, dem die Federn ausgerupft wurden. Dennoch blieb sie bei ihrem künstlichen Lächeln, als sie die geschwungene Mahagonitreppe in den Ballsaal hinuntergingen und der Majordomus sie mit lauter Stimme ankündigte.
Kristallkronleuchter blinkten über ihnen und warfen ein weiches Licht auf die Dutzende Paare auf der Tanzfläche. Die Röcke der Damen schwangen sich zu runden Bögen aus Seide, Satin, Spitze und Taft. Wie bunte Blumen, die ihre Knospen öffnen, dachte Jillian.
Sie folgte ihrer Tante zu einem Kanapee, in dessen Nähe eine ganze Gruppe schmallippiger Matronen saß. Die Anstandsdamen ließen ihre jungen Schutzbefohlenen keine Sekunde aus den Augen, auf dass sich keine Hand zu weit vorwagte oder gar Gentlemen etwas anderes als die behandschuhten Finger küssten.
Jillian umklammerte den Elfenbeingriff ihres geschlossenen Spitzenfächers. Zwischen den schwarzgewandeten Matronen fühlte sie sich wie ein Pferd in einem kleinen Korral, bereits gekauft und bezahlt. Bernard stand in der Nähe und unterhielt sich mit ein paar anderen Gästen.
Ein letzter Ball, ein letzter Tanz, dann war sie frei. Das Dampfschiff nach Amerika legte in fünf Tagen ab. Fünf Tage noch, dann war sie an Bord!
Doch als Bernard kam und ihr Vater ihm herzlich die Hand schüttelte, hatte Jillian das ungute Gefühl, dass es in fünf Tagen zu spät sein könnte. Die Geschäftsmänner schlossen offensichtlich gerade eine profitable Transaktion ab.
Ängstlich starrte sie in Bernards gerötetes Gesicht mit dem gewachsten Schnurrbart. Sie stellte sich vor, wie er sich in der Hochzeitsnacht über sie beugte, sich heftig atmend auf sie legte, so dass sein wabbeliger Bauch sich an ihrem rieb. Trotzdem zwang sie sich, sein Lächeln zu erwidern, als er zu ihnen kam.
»Mrs. Huntington«, begrüßte er Jillians Tante mit einer förmlichen Verbeugung.
»Bernard.« Mary bedachte ihn mit einem unterkühlten Blick, den er jedoch ignorierte und sich gleich Jillian zuwandte.
»Jillian, meine Teure.« Er beugte sich vor und küsste ihre Hand. Jillian schluckte ihren Ekel hinunter. »Ich bat Ihren Herrn Vater in aller Form um Ihre Hand. Er gab mir seinen Segen und sagte mir, Ihr würdet meine Frau werden. Wir heiraten im Juli und verbringen die Flitterwochen in Bath. Vortrefflich, nicht wahr?« Er strahlte.
Ach, Vater! Meine Meinung zählt wohl gar nichts.
»Ja, fürwahr vortrefflich«, sagte Mary tonlos.
Jillian versuchte, sich ihre Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. »So bald schon?«
»Je eher, desto besser, oder, meine Teure? Ich würde ungern länger als nötig warten.« Er senkte die Stimme und fuhr fort: »Ich weiß, wie scheu und jungfräulich Sie sind, aber Sie haben in der Hochzeitsnacht nichts von mir zu befürchten.«
Er grinste affektiert. Bernard mit dem lüsternen Blick, den schmalen Lippen und dem gewachsten Bart … Jillian dachte an die Leidenschaft, die sie in Grahams Armen empfunden hatte, und daran, wie hemmungslos und wagemutig sie gewesen war. Sie erinnerte sich an seine Lippen auf ihren, an das Verlangen, das sie erfüllt hatte …
»Selbstverständlich hat sie nichts zu befürchten«, bemerkte Mary mit dem Anflug eines Lächelns. Sie warf Jillian einen Blick zu, der ihrer Nichte Mut machen sollte. Prompt streckte Jillian die Schultern durch und wollte Bernard sagen, dass sie ihn auf keinen Fall heiraten konnte. Doch die Worte kamen ihr nicht über die Lippen, denn in diesem Augenblick näherte ihr Vater sich.
Sie ballte ihre Hand so fest, dass sie beinahe den Griff ihres Fächers durchbrach. Erst als ihr Vater schließlich mit Bernard aus dem Ballsaal ging, atmete sie wieder. Sie wollten mit ein paar Politikerfreunden Whist spielen. Ihr Vater würde verlieren, dafür aber mit ein paar mächtigen Beamten zusammensein. Und nun, mit Bernards Geld, konnte er es sich leisten, zu verlieren.
Wie schwach Jillian war! Eine einzige Nacht in Grahams Armen, während der sie wahre Leidenschaft erfahren hatte und ihr Körper zu einem Leben voller Wonne erwacht war! Nie wieder.
Er kam spät, wie man es von einem Mann in seiner Position erwartete. Drinnen suchte Graham den Saal nach seinem rothaarigen Feind ab.
Wie ein Panther schlich er außen um die Tanzfläche herum. Er achtete weder auf das Getuschel der Damen, an denen
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