Sturm der Leidenschaft: Er suchte einen verborgenen Schatz - und fand die Liebe seines Lebens (German Edition)
wohl, Mylord«, antwortete der Diener.
Während sie ihm hinterhersah, wie er den Frühstückssalon verließ, stieg Jillian ein Kloß in den Hals. Ihre Mutter senkte hastig den Kopf, doch zuvor hatte Jillian noch gesehen, dass sie Tränen in den Augen hatte. Lady Stranton würde allerdings nicht erlauben, dass ihr Gatte sie bemerkte.
Eine vertraute Trostlosigkeit erfüllte Jillian. Sie wandte sich wieder ihrem Essen zu, konnte jedoch nichts gegen ihre Wut und Furcht tun. Ihr wurde beinahe schwarz vor Augen, als der alte Alptraum wiederkam: eine Tür, die sich leise schloss, ein Schlüssel, der sich drehte, ein leiser Schmerzensschrei …
Jillian biss sich auf die Lippen und verdrängte die schrecklichen Bilder. Sie musste diese Tür für immer geschlossen halten, denn sie wollte nicht wissen, welche Geheimnisse dahinter lauerten.
»Nun zu deinen Terminen, Jillian. Ich befreie dich von den üblichen Besuchen am heutigen Nachmittag, da ich wünsche, dass du dich für den Ball bei Huntlys heute Abend sorgfältig herrichtest – und für Mr. Augustine.« Über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg warf ihr Vater ihr einen freundlichen Blick zu, der jedoch nicht über seinen eisernen Ton hinwegzutäuschen vermochte. Es war ein Befehl, unmissverständlich und keine Widerrede duldend.
»Ja, Vater, ich werde heute Abend zum Ball der Huntlys gehen.«
»Gut. Mr. Augustine hat in aller Form um deine Hand angehalten, und ich nahm seinen Antrag an. Ich sagte ihm, ich würde die Verlobung heute Abend bekanntgeben.«
Jillians Mund wurde unangenehm trocken. Etwas in ihr schrie auf. Sag ihm, dass du Bernard nicht heiraten kannst! Sag ein einziges Mal nein! Hilflos knüllte sie die Leinenserviette in ihren schwitzenden Händen und bewegte die Lippen. Dann hörte sie sich selbst leise sagen: »Ja, Vater.«
Ihr wurde speiübel. Angeekelt blickte sie auf ihr Ei mit der zerbrochenen Schale. Sie war kein Feuer, das im Innern brodelte, sondern ein Ei, dessen zerbrechliche Schale ein noch viel empfindlicheres Inneres umhüllte. So schwach. So entsetzlich schwach.
Deshalb muss ich fort.
Für ihre Mutter war es zu spät. Jillian blickte zur schweigenden Countess mit den dunklen Schatten unter ihren großen blauen Augen und den ausgehöhlten Wangen. Die Vorstellung, sie zu verlassen, schmerzte Jillian, aber Tante Mary hatte versprochen, auf sie achtzugeben. Tante Mary, die Schwester von Jillians Vater, hatte sie ermutigt, zu Madame LaFontant zu gehen, um sich das Geld zu verdienen, das sie für ihre Flucht brauchte. Nachdem sie abgewartet hatten, bis ihr Vater eine seiner üblichen Exkursionen unternahm, hatten sie auf dessen Anwesen in Derbyshire alle Einzelheiten besprochen.
»Sie besitzt das eleganteste Bordell in London. Dort wird man dich gut behandeln, Jillian«, versicherte Mary ihr.
Nun stand ihr nur noch ein Ball bevor, dann würde sie fortgehen.
Bis dahin allerdings musste sie sehr vorsichtig sein, damit ihr Vater nicht misstrauisch wurde. Sie würde sich so normal wie möglich verhalten und die gehorsame, unbedarfte Tochter mimen, die er in ihr sah.
Bald ist alles vorbei! , versprach sie sich im Stillen, umklammerte die Serviette in ihrem Schoß und drehte und zupfte an dem Leinen. Bald würde sie frei sein.
Als das Frühstück beendet war, entschuldigte Jillian sich höflich und floh in die ruhige Abgeschiedenheit der Bibliothek. Dort schloss sie die Tür, lehnte sich von innen dagegen und stieß einen tiefen Seufzer aus. Genüsslich atmete sie den Duft der ledergebundenen Bücher ein, in denen so viel Interessantes zu finden war.
Hier herrschte Frieden. Hier wartete Wissen. Dies war ihr Zufluchtsort.
Sie machte es sich mit einem Band von Alfred Marshalls Principles of Economics in einem gepolsterten Sessel bequem. Liebevoll strich sie über den Einband des dicken Wälzers. Doch statt sich wie sonst in den Inhalt zu vertiefen, konnte sie sich heute einfach nicht konzentrieren. Stattdessen sah sie immer wieder den Mann von letzter Nacht vor sich. Graham.
Sie fühlte noch ein Brennen zwischen ihren Beinen, während ihr tausend Gedanken durch den Kopf gingen – an die Leidenschaft, die sie in den Armen des Fremden erlebt hatte, an ihre Wonneschreie, als er sie in ungeahnte Höhen katapultierte. Eine Nacht mit einem gutaussehenden Mann, der teuer für das bezahlte, was ihr Ehemann gratis bekommen sollte. Sie sah Grahams Gesicht vor sich, angespannt vor Verlangen, erinnerte sich an das Gefühl seiner zärtlichen
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