Sturm der Leidenschaft (German Edition)
ihren Gefühlen, in ihrem Innersten gewandelt, doch sie wusste nicht, was es war, oder woher es kam. Sie wusste nur, dass etwas in ihr aufgebrochen schien.
Die Dinge schienen ihr nicht mehr so unveränderlich, wie sie es früher immer gedacht hatte.
Menschen konnten aufbrechen, konnten etwas unternehmen.
Und damit meinte sie nicht das kopflose Losrennen, von dem Declan gesprochen hatte, sondern eine eher grundlegende, geplante und deswegen organisierte Veränderung.
Sie musste Johns Verhalten nicht hinnehmen.
Es war eine wichtige Erkenntnis, wenn Anne auch noch nicht klar war, wohin sie sie führen würde.
Mit klammen Fingern hob sie den eisernen Ring und schob dann das Tor auf.
Dann marschierte sie mit langen Schritten ins Haus.
Wenigstens brannte in der Küche ein Feuer, an dem sie sich wärmen konnte.
„Willst du eine Tasse Tee?“, fragte Mary und hielt ihr schon das dampfende Getränk entgegen.
„Gerne. Ist kalt draußen.“
Mary nickte zustimmend und schaute aus dem kleinen Fenster, das zu jenem Tor ging, durch das Anne soeben getreten war.
„Ist er noch da draußen?“
„Ja.“
„Du hast Post bekommen“, sagte Mary als sei es das Nebensächlichste der Welt.
„Post?“, wiederholte Anne ungläubig.
„M-hm“, brummte Mary und deutete mit einem Nicken in Richtung eines versiegelten U mschlags.
„N Diener hat ihn vorhin gebracht.“
Anne atmete tief durch und brachte es nicht über sich, ihn zu öffnen.
Sie hatte das Wappen der Aldertons erkannt.
„Willst du nicht reinschauen?“, fragte Mary und wenn sie auch möglichst gleichgültig zu wirken versuchte, so wusste Anne doch, dass sie dem Inhalt mindestens genauso entgegen fieberte wie sie selbst. Also brach sie das Siegel und schlug den dicken, gefalteten Bogen auseinander.
Sehr geehrte Mistress Hall,
da ich seit einiger Zeit nichts mehr von Ihnen gehört habe, konnte ich nicht umhin, mich nach Ihrem werten Befinden zu erkundigen.
Ich hoffe doch sehr, dass das schlechte Wetter Ihrer Gesundheit nicht abträ glich war.
Leider durften wir Sie nur so kurz als Gast unter unserem Dach begrüßen und deswegen wollte ich Sie heute zu einem Ball einladen, den ich am kommenden Donnerstag gebe.
Es würde mich besonders glücklich machen, wenn Sie sich dazu entschließen könnten, mir die Freude Ihrer Anwesenheit zu schenken.
Mit untertänigstem Gruß,
Edward Alderton
Anne überflog die Zeilen abermals und faltete den Bogen dann wieder zusammen.
Mary schaute sie lange an.
„Ist was passiert?“, fragte sie.
Anne aber presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
„Nein. Es ist alles in Ordnung. Lord Alderton erkundigt sich nach meinem Befinden und lädt mich auf einen Ball nach Haversham nächste Woche ein.“
Ihre Stimme war beinahe tonlos, als sie den Inhalt des Schreibens wiederholte.
Mary öffnete den Mund, doch sie schien keine passenden Worte zu finden.
„Da kannst du nicht hingehen “, stieß sie gepresst hervor, nachdem sie sich wieder gefangen hatte.
„Ich weiß“, erwiderte Anne und warf den Brief in die Flammen des Kamins, wo er sofort ve rschlungen wurde.
Sie atmete tief durch und ging dann wortlos nach oben.
Mit kalten Fingern öffnete sie die Truhe mit ihren paar Habseligkeiten, nahm ihre Kleider heraus und breitete sie sodann auf dem Boden aus.
Das beste Kleid, das sie besaß, war das Hochzeitskleid ihrer Mutter.
Und das konnte sie unmöglich anziehen.
Sein Schnitt war veraltet und der Stoff brüchig. Es roch nach den Jahren, die es gelagert worden war.
Und ihre anderen Kleider? Allesamt mehrfach geflickt, mit angenähten Borten, um die abgestoßenen Säume zu verdecken.
Arbeitskleider. Nur ein gutes für Feiertage, Kirchgang und Familienfeste, die es schon lange nicht mehr gab.
Jede Dienstmagd in Haversham hatte besser Kleidung als sie, ging es Anne durch den Kopf.
Warum war ihr das nie aufgefallen?
Warum hatte sie nie das Bedürfnis empfunden, sich auch einmal hübsch machen zu wollen? Das Kleid von Lady Agnes hatte Mary längst zurück gebracht. Es war Anne wie ein Fremdkörper in diesem Haus vorgekommen.
Es war zwar nicht sonderlich prunkvoll, doch es war aus gutem Stoff solide gefertigt.
Niemand hatte je etwas daran ausgebessert …
Nein. Es hatte weder zu diesem Haus noch zu ihr gepasst.
„Was machst du da? Gibt es keine Arbeit zu tun? Reicht, wenn der blonde
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