Sturm der Leidenschaft (German Edition)
hältst du davon, wenn wir fliehen? Du und ich. Weg vom Hof. Ein neues Leben begi nnen … Würdest du jetzt mitkommen?“
Anne war ebenso überrascht wie schockiert. Sie hatte noch nie über solch eine Möglichkeit nachgedacht. Das Leben, das sie führte, erschien ihr vorbestimmt.
Sie musste es nun einmal ertragen.
Wohin sollte sie auch gehen? Sie hatte kein Geld. Kannte niemanden. Sie erinnerte sich an jenen Moment, da er sie schon einmal gefragt hatte. Da hatte sie seinen Vorschlag brüsk zurückgewiesen. Jetzt dachte sie zumindest darüber nach. Aber sie wusste, tief in ihrem Herzen, dass sie den Hof nicht verlassen konnte. Sie hatte nicht die Kraft, fürchtete sich vor Johns Verfolgung. Denn, dass er eine Flucht nicht hinnehmen würde, war ihr auch klar.
„Und wohin sollen wir?“
„Ich weiß nicht. Einfach weg eben.“
Die tiefe Furcht brach sich Bahn in ihren Worten.
„Wir können nicht einfach weg … Wir haben doch gar nichts.“
Er hielt sein Handgelenk, das zwischen seinen Knien herabhing , mit der freien Hand umfasst.
„Wir haben uns. Ist das nichts?“
In seinen Augen lag weniger Enttäuschung als … Verwunderung. Verwunderung darüber, dass Anne so vollkommen andere Wertvorstellungen zu haben schien als er.
Dabei, so befand Anne, war sie einfach realistischer.
„Wir können nicht einfach losziehen“, versetzte sie und entsann sich im gleichen Augenblick ihrer Mutter, die immer ein Beispiel gesucht hatte, wenn Anne etwas nicht verstanden hatte.
„Pass auf … Stell dir vor, wir liefen jetzt los. Zuerst in Richtung Alderton. Gut. Und dann? Nach Süden? In Richtung London? Gut. Also zur Hauptstadt.“
Sie klopfte mit beiden Händen flach auf ihren Rock.
„Es wird dunkel. Es wird noch kälter. Was essen wir? Gut … Wir nehmen Proviant mit“, sagte sie, seinen Einwurf vorwegnehmend. „Wie viel Proviant? Für einen Tag? Zwei Tage? Und dann? Wollen wir nachts in einen Schweinekoben einbrechen und den Schweinen ihr Futter wegessen?“
Sie sah ihn mit ruhigen Augen an.
„Ich kann arbeiten und du auch“, sagte Declan.
„Gewiss. Aber wer gibt uns Arbeit? Niemand kennt uns. Wir könnten ein Räuberpärchen sein, das des Nachts die Bauersleute bestiehlt.“
„Ich will doch nur mit dir zusammen sein, Anne. Dass du das nicht verstehst.“
Verwundert stellte sie fest, dass er keinen Körperkontakt zu ihr suchte in diesem Moment.
„Aber wir sind doch zusammen …“, warf sie ein.
„Ja. Mit John im Nacken. Was denkst du, wird er tun, wenn er das mit uns herausfindet? Totschlagen wird er uns! Zumindest mich.“
Anne wusste, dass er Recht hatte. Und auf immer verheimlichen konnten sie es nicht. Er würde es herausfinden und dann waren sie verloren.
„Ich werde nicht zusehen, wie er dir was antut. Vorher bringe ich ihn um!“, murmelte Declan.
Anne erhob sich.
„Ich will nicht hören, wenn du so redest! Sie würden dich schnappen und hängen. Und was wäre dann gewonnen?“
Sie warf noch einen letzten Blick über die Heide.
„Ich gehe jetzt. Mary wartet und ich habe noch einen Haufen Arbeit.“
Er sah ihr nicht mal nach , als sie von dem Felsen hinabkletterte, indem sie sich an den Spalten festhielt und zusah, dass sie mit den Füßen sicheren Stand hatte.
Der eisige Wind trieb ihr die Schneeflocken ins Gesicht und sie fröstelte, obwohl sie ihr wo llenes Wintercape trug.
Was sollte sie nur tun … Dass Declan den festen Vorsatz hatte, John zu töten, wusste sie. Ebenso war ihr klar, dass bis jetzt nur noch keine passende Situation gekommen war.
John aber brauchte nur betrunken genug sein und eine unbedachte Bemerkung machen, oder nach ihr verlangen … Dann würde Declan zuschlagen.
Sie sah seine Blicke, wenn er mit John zusammen war. Dann sah sie ein lauerndes Tier.
Ein Tier, dass nur darauf wartete, sich für all das rächen zu können, was man ihm über Jahre zugefügt hatte.
Und sie konnte ihn verstehen. Wie viele Narben überzogen seinen Körper von all den Schl ägen, die er hatte erdulden müssen.
Aber dann?
Jemand würde die Polizei rufen und es würde keinen Zweifel daran geben, wer den besten Grund hatte, John zu töten.
Mit einem Herzen, schwer wie ein Stein, stapfte sie durch den weichen Untergrund in Ric htung des heimatlichen Hofs, zurück in jene Welt, die sie so abgrundtief hasste.
Ihr Magen zog sich zusammen, als sie von Ferne die Umrisse des Wohnhauses sah, wie es düster und geduckt unter den tiefliegenden Wolken dräute.
Etwas hatte sich in
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