Sturm der Leidenschaft
schritt mit schnellen Schritten davon. Sie sah ihm nach, wie er an den überraschten Gästen vorbeiging, an den Dienern, und zur Tür hinaus. Sie wußte, daß er in diesem Augenblick für immer aus ihrem Leben verschwunden war. Mit den verdammten Tränen kämpfend suchte sie in der Menge nach Emily. »Emily«, flüsterte sie mit kaum hörbarer Stimme, »bitte sag Elizabeth, daß ich mich sehr schlecht fühle. Ich schicke deine Kutsche zurück, sobald sie mich bei dir zu Hause abgesetzt hat.«
»Ich komme mit«, bot Emily sofort an.
»Nein, ich möchte lieber allein sein. Ich muß allein sein.«
Als Emily und Michael ein paar Stunden später an Whitneys Zimmer vorbeikamen, hörten sie drinnen verzweifeltes Schluchzen. »Laß sie weinen«, riet Michael leise. »Es wird ihr gut tun.«
Kapitel vierzehn
Wenige Wochen später durchquerten vier elegante Kutschen die Parktore von Claymore. In der ersten saßen die Dowager Duchess of Claymore und ihr Sohn Stephen, in der zweiten Stephens Kammerdiener und die Zofen der Herzogin, die letzten beiden enthielten Truhen mit Kleidung und anderen Gegenständen, die Alicia Westmoreland als unabdingbar für einen längeren Aufenthalt betrachtete - besonders, da sie dabei ihre Schwiegertochter kennenlernen sollte.
»Wie wunderschön es hier ist«, seufzte Ihre Gnaden verträumt und ließ den Blick über die gepflegten Rasenflächen und Parkanlagen schweifen. Unvermittelt wandte sie sich an ihren Sohn und sah ihn durchdringend an. »Bist du auch ganz sicher, daß mir dein Bruder heute eine Schwiegertochter vorstellen wird?«
Stephen lächelte. »Ich kann dir nur das sagen, was ich weiß, Mutter. In seinem Brief schrieb Clay, daß er mit Vanessa noch eine weitere Nacht bei ihren Eltern verbringen wollte, um dann heute nachmittag gegen halb fünf hier zu sein.«
»Er hat nur von >Vanessa< geschrieben?« fragte die Herzogin nach. »Glaubst du wirklich, daß es sich um Vanessa Standfield handelt?«
»Wenn man den Gerüchten glauben darf, heißt sie jetzt Westmoreland.«
»Ich habe sie vor Jahren kennengelernt. Sie war ein bezauberndes Kind.«
»Jetzt ist sie eine bezaubernde Frau«, entgegnete Stephen mit einem jungenhaften Grinsen. »Sehr schön, sehr blond, sehr blauäugig.«
»Gut. Dann werde ich bestimmt wunderschöne Enkelkinder gekommen«, verkündete die Herzogin zufrieden. Plötzlich schien ihr der nachdenkliche Blick ihres Sohnes aufzufallen. »Stephen, hast du etwa irgend etwas gegen sie einzuwenden?«
Stephen zuckte mit den Schultern. »Nur, daß sie keine grünen Augen hat und nicht Whitney heißt. ..«
»Wie? Oh, Stephen, das ist doch lächerlich. Wie kommst du nur auf so etwas? Dieses Mädchen hat ihm nur Unglück gebracht. Aber inzwischen hat er sie offensichtlich vergessen, und das ist gut so.«
»Sie ist nicht so leicht zu vergessen«, wandte Stephen ein.
»Was meinst du damit?« erkundigte sich die Herzogin scharf. »Hast du dieses Mädchen kennengelernt, Stephen?«
»Nein, aber ich habe sie vor kurzem auf einem Ball bei den Kingsleys gesehen. Sie war von den umschwärmtesten Junggesellen Londons umgeben - außer Clay natürlich. Als ich ihren Namen hörte und ihre Augen sah, wußte ich, daß sie es war.«
Die Herzogin dachte daran, eine genauere Beschreibung der jungen Lady zu fordern, die soviel Verzweiflung über ihren ältesten Sohn gebracht hatte, tat diesen Einfall dann aber mit einem Schulterzucken ab. »Das ist alles längst vorüber. Heute bringt Clayton seine Frau nach Hause.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß er jemanden so schnell vergißt, der ihm soviel bedeutet hat. Und ich kann nicht glauben, daß Clay eine Ehefrau heimbringt. Sehr wahrscheinlich nur eine Verlobte.«
»Fast möchte ich hoffen, daß du recht hast. Es wäre höchst unangenehm, wenn Clayton Miss Standfield so überstürzt geheiratet hätte. Stell dir doch nur den wilden Klatsch und die bösartigen Gerüchte vor.«
Stephen warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Clay schert sich keinen roten Heller um das Geschwätz, das weißt du ebensogut wie ich.«
»Zeit zum Aufstehen«, erklärte Emily munter und zog die Vorhänge auf. »Es ist bereits nach zwölf Uhr, und noch immer ist keine Nachricht von Seiner Gnaden gekommen, daß du auf deinen Besuch bei ihm verzichten sollst.«
»Ich bin erst im Morgengrauen ins Bett gekommen«, murrte Whitney, setzte sich dann aber kerzengerade auf. »Ich kann es nicht tun!« rief sie. »Ich kann nicht zu ihm
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