Sturm der Leidenschaft
Chaise vor den hellerleuchteten Fenstern hielt und der Kutscher vom Bock sprang, um für Whitney den Schlag zu öffnen.
Der Butler öffnete gerade die Tür, als Stephen mit einem Willkommenslächeln auf den Lippen in der Halle erschien. Er rechnete damit, seinen Bruder und Vanessa Standfield zu sehen, und starrte nun verblüfft in ein vage bekanntes Gesicht. »Ich bin Whitney Stone«, sagte sie zum Butler mit sanfter, melodischer Stimme. »Ich glaube, Seine Gnaden erwartet mich.«
Innerhalb weniger Sekunden erinnerte sich Stephen an das Geständnis seines Bruders, fragte sich, ob Clay eine Ehefrau oder eine Verlobte nach Claymore bringen würde, und überlegte, ob es weise war, sich in die Belange seines Bruders einzumischen. Dann faßte er einen spontanen Entschluß.
Bevor der Butler sagen konnte, daß Clayton nicht anwesend war, trat er schnell vor und streckte Whitney lächelnd beide Hände entgegen. »Mein Bruder wird in jedem Augenblick zurückerwartet, Miss Stone. Möchten Sie nicht hereinkommen und auf ihn warten?«
Zwei sehr gegensätzliche Empfindungen zeigten sich auf dem schönen Gesicht der jungen Frau: Enttäuschung und Erleichterung. Sie schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, lieber nicht. Ich kündigte ihm gestern brieflich meinen Besuch an und bat darum, mir mitzuteilen, ob es ihm genehm ist. Vielleicht sollte ich ein anderes Mal wiederkommen«, sagte sie leise und wandte sich zum Gehen.
Stephen griff schnell nach ihrem Ellbogen und zog sie sanft aber unerbittlich in die Halle zurück. »Clay war auch gestern nicht hier«, erläuterte er mit einem entwaffnenden Lächeln. »Daher weiß er vermutlich gar nichts von Ihrem geplanten Besuch.« Und bevor sie sich wehren konnte, streifte er ihr das blaue Samtcape von den Schultern und reichte es dem Butler.
Whitneys Blick fiel auf die breite Marmortreppe, die sich zum ersten Stockwerk hinaufschwang, und sie erinnerte sich, wie Clayton sie dort hinaufgetragen hatte - und daran, wie grausam brutal er sein konnte, wenn er wütend war. Abrupt wandte sie sich wieder der Tür zu. »Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft, Lord Westmoreland . . .«
»Stephen«, korrigierte er.
»Vielen Dank, Stephen, aber ich habe mich entschieden, doch nicht zu warten. Dürfte ich bitte mein Cape haben?« Sie blickte den Butler an. Er sah Stephen an, aber der schüttelte energisch den Kopf, woraufhin der Butler so tat, als hätte er nicht gehört.
»Es wäre mir eine große Freude, wenn Sie bleiben würden«, meinte Stephen.
Verunsichert lachte Whitney auf und legte die Hand auf Stephens angewinkelten Arm. »Ich kann mich nicht erinnern, jemals so liebenswürdig nachdrücklich zum Bleiben aufgefordert worden zu sein.«
»Die Westmorelands sind berühmt für ihre Gastfreundschaft«, behauptete er lächelnd und führte sie zu dem Salon, in dem seine Mutter wartete.
Beim Anblick der Herzogin wollte sich Whitney sofort verlegen zurückziehen.
»Auch meine Mutter würde sich freuen, wenn Sie mit uns gemeinsam auf Clay warten«, erklärte Stephen. »Ich weiß, wie entzückt er sein wird, Sie zu sehen. Er würde mir nie verzeihen, wenn ich Sie vor seiner Rückkehr wieder gehen ließe.«
Whitney blieb stehen und sah ihn an. »Lord Westmoreland«, begann sie, und der Anflug eines Lächelns überflog ihre Züge.
»Stephen«, berichtigte er.
»Also gut, Stephen .. . Ich glaube, Sie sollten wissen, daß Ihr Bruder kaum >entzückt< sein dürfte, mich zu sehen.«
»Dieses Risiko gehe ich ein«, antwortete Stephen und lächelte.
Tief beeindruckt betrat Whitney den ganz in Weiß und Gold gehaltenen Raum, vermied es aber geflissentlich, die prachtvollen Gemälde an den Wänden und die kostbaren Möbel allzu offensichtlich zu bewundern.
»Mutter, ich möchte dir Miss Whitney Stone vorstellen«, sagte Stephen. »Da Clay nicht wie geplant schon gestern zurückgekehrt ist, weiß er nichts von ihrem beabsichtigten Besuch. Aber ich konnte sie dazu überreden, hier mit uns auf ihn zu warten.«
Die Betonung, die Stephen auf ihren Vornamen legte, entging Whitney nicht.
»Sind Sie mit meinem Sohn befreundet, Miss Stone?« erkundigte sich die Herzogin höflich und bedeutete Whitney, ihr gegenüber Platz zu nehmen.
»Wir waren gelegentlich miteinander befreundet, Euer Gnaden«, erwiderte Whitney offen.
Die Herzogin stutzte über die merkwürdige Antwort, blickte in die jadegrünen Augen, die sie ernst ansahen, erhob sich plötzlich halb aus ihrem Sessel, riß sich zusammen und sank wieder
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