Sturm der Leidenschaft
zurück. Ihr fragender Blick flog zu Stephen, der unmerklich nickte.
Die kritischen Blicke seiner Mutter bewußt übersehend, lehnte er sich auf seinem Sitz zurück und hörte zu, wie sie und Whitney von der Pariser Mode bis zum Londoner Wetter die verschiedensten Themen erörterten.
Nach etwa einer Stunde waren aus der Halle Stimmen zu vernehmen - eine männliche und eine weibliche. Stephen stand schnell auf und postierte sich so, daß Whitney Claytons Blick verborgen sein würde, wenn er eintrat.
»Entschuldige, daß wir so spät kommen. Wir wurden aufgehalten«, sagte Clayton zu seiner Mutter, beugte sich zu ihr und küßte sie leicht auf die Stirn. »Aber ich bin sicher, daß ihr eure Räume auch ohne mich gefunden habt«, fügte er scherzend hinzu, drehte sich um und zog Vanessa zu sich heran. »Mutter, ich möchte dir Vanessa vorstellen, Vanessa . . .«
Stephen hielt die Luft an. »Standfield«, vervollständigte Clayton, und Stephen atmete erleichtert wieder aus.
Vanessa versank in einem tiefen Knicks vor der Herzogin, und nachdem die beiden Damen die üblichen Artigkeiten ausgetauscht hatten, hob Clayton lachend eine Hand in Stephens Richtung und fügte hinzu: »Stephen kennst du ja bereits, Vanessa.« Dann beugte er sich wieder zu seiner Mutter hinunter und sprach leise auf sie ein.
»Es ist mir eine große Freude, Sie wiederzusehen, Miss Standfield«, erklärte Stephen gespielt formell.
»Ich bitte Sie, Stephen«, lachte Vanessa, »wir nennen uns doch seit undenklichen Zeiten beim Vornamen . . .«
Als hätte er das nicht gehört, griff Stephen hinter sich und berührte Whitneys Arm. Sehr zögernd stand sie auf. »Miss Standfield«, sagte Stephen mit leicht erhobener Stimme, »darf ich Ihnen Miss Whitney Stone vorstellen .. .?«
Clayton schoß herum.
»Und dieser versteinerte Gentleman«, fuhr Stephen an Whitney gewandt fort, »ist mein Bruder. Wie Sie sehr wohl wissen.«
Unter der kalten Wut seines Blicks zuckte Whitney buchstäblich zusammen. »Wie geht es deiner Tante?« erkundigte er sich kühl.
Whitney schluckte trocken. »Meiner Tante geht es sehr gut, vielen Dank«, flüsterte sie kaum hörbar. »Und wie geht es Ihnen?«
»Wie du siehst, habe ich unsere letzte Begegnung ohne dauernde Schäden überstanden.«
Vanessa, die in Whitney offenbar ihre Rivalin auf dem Ball der Rutherfords wiedererkannte, neigte knapp den Kopf und meinte mit kühlem Lächeln: »Bei Lord und Lady Rutherfords Gesellschaft hatte Esterbrook das Vergnügen, Ihnen vorgestellt zu werden, Miss Stone.« Sie brach kurz ab, als wolle sie ihrem Gedächtnis nachhelfen. »Ja, ich erinnere mich, daß er sich anschließend uns gegenüber über Sie geäußert hat.«
»Wie freundlich von ihm«, erwiderte Whitney, da Vanessa auf eine Antwort zu warten schien.
»Wenn ich mich recht erinnere, waren seine Äußerungen alles andere als freundlich, Miss Stone.«
Vanessas unerwarteter Angriff ließ Whitney erstarren, und Stephen unterbrach schnell die entstehende Stille. »Wir können über unsere gemeinsamen Bekannten ausführlich während des Dinners sprechen«, schlug er munter vor. »Vorausgesetzt, ich kann meinen schönen Gast dazu überreden, mit uns zu Abend zu speisen.«
Whitney schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, aber ich kann wirklich nicht bleiben ... Es tut mir leid.«
»Aber ich bestehe darauf.« Er lächelte, musterte seinen zornesblassen Bruder mit hochgezogenen Brauen und fügte hinzu: »Wir bestehen beide darauf, nicht wahr?«
Zu Stephens unendlichem Mißfallen dachte Clayton gar nicht daran, ihm zuzustimmen. Statt dessen blickte er nur über die Schulter und bedeutete dem Diener mit einem Kopfnicken, ein weiteres Gedeck aufzulegen. Dann trat er an das Buffet, um sich ein Glas Whisky einzugießen.
Stephen setzte sich neben Whitney und sah dann zu Claytons breitem Rücken hinüber. »Mir auch einen, Bruder«, rief er gutmütig.
Clayton drehte sich um und warf Stephen einen unverhüllt angewiderten Blick zu. »Ich bin sicher, daß zu all deinen an-deren brillanten Tugenden auch die Fähigkeit gehört, dir selbst ein Glas einschenken zu können.«
»Stimmt«, meinte Stephen unbeeindruckt. »Meine Ladies?« fragte er und stand wieder auf. »Wie wäre es mit einem Glas Wein?«
Vanessa und Whitney stimmten dankend zu, und die Herzogin unterdrückte den dringenden Wunsch, nach einer ganzen Flasche zu verlangen.
Stephen schlenderte zu seinem Bruder hinüber, goß sich einen Whisky ein und füllte dann drei
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