Sturm der Leidenschaft
Handschrift, der dem Dokument beigefügt war. »Bitte nehmen Sie meine aufrichtigen Wünsche für Ihr Glück entgegen und übermitteln Sie sie auch Paul. . .«, las sie. Ein Scheck über zehntausend Pfund entglitt ihren Fingern und flatterte zu Boden. Clayton hatte sie benutzt, um seine Lust und sein Rachebedürfnis zu befriedigen. Und jetzt fand er sie mit einem großzügigen Scheck ab, als wäre sie eine gemeine Dirne oder eine seiner Geliebten, und hatte auch noch die Stirn, ihren von ihm mißbrauchten Körper Paul ins Ehebett zu legen. »O Gott«, flüsterte Whitney. »Oh, mein Gott!«
Es klopfte an die Tür. »Bist du fertig?« fragte Emily.
»Ich komme in wenigen Minuten hinunter«, rief Whitney heiser. »Emily«, fügte sie dann hinzu, »weißt du, weshalb der Herzog in der Kirche war? Ich meine, hat ihn Elizabeth vielleicht ganz unvorgesehen eingeladen?«
»Ja. Und bist du jetzt nicht froh, daß sie es getan hat?« Emily hörte sich sowohl schuldbewußt als auch befriedigt an.
Der Raum begann zu schwanken. Clayton war nicht zur Trauung gekommen, um sie zu sehen, mit ihr zu sprechen. Er war eingeladen worden! Da sein Brief und die Dokumente bereits vor Wochen verfaßt worden waren, mußte er natürlich davon ausgehen, daß sie diese kannte. Ein bitteres Lachen stieg in ihr auf. Er hatte ganz einfach an einer Trauung teilgenommen, zu der man ihn eingeladen hatte . . . Wie sehr mußte es ihn befriedigt haben, daß sie ihn fast anbetend angelächelt hatte!
Das Bankett! Aufstöhnend verbarg Whitney ihr Gesicht in den Händen. Clayton würde auch an dem Bankett teilnehmen, und sie müßte ihm gegenübertreten!
Als sie kurze Zeit später zu Emily und ihrem Mann in die Halle trat, sah Whitney ein wenig blaß aus, und in ihren Augen schimmerte es verdächtig, aber sie hielt ihren Kopf hoch und reckte entschlossen das Kinn. Äußerlich war sie die Ruhe selbst, aber es war die Ruhe, die einem Sturm vorausgeht.
Wie eine echte Kupplerin hatte Elizabeth dafür gesorgt, daß Clayton an der Tafel seinen Platz Whitney genau gegenüber fand. Clayton nahm kaum etwas zu sich, und was er aß, schmeckte ihm nicht. Dafür war er viel zu beschäftigt mit einer schönen Frau, die sein Herz erobert hatte, aber zu ängstlich oder unwillig schien, seinem Blick zu begegnen. Er sah zu, wie sie angeregt mit den Gentlemen an ihrer Seite plauderte und sie buchstäblich um ihre schlanken Finger wickelte. Eifersucht kochte in ihm hoch.
Zu seinem Unglück saß er auch noch zwischen zwei älteren Ladies, die herausgefunden hatten, daß er ein Herzog war, und ihn sofort als möglichen Ehemann für ihre unverheirateten Töchter in Betracht zogen. »Meine Marie spielt Pianoforte wie ein Engel«, zirpte die eine Mutter. »Sie müssen unbedingt an einem unserer Musikabende teilnehmen, Euer Gnaden.«
»Meine Charlotte singt wie eine Lerche!« machte sich die andere Mutter sofort bemerkbar.
»Ich bin stocktaub«, knurrte Clayton und ließ kein Auge von Whitney.
Später, als Whitney bereits den vierten Tanz mit Paul Sevarin tanzte, dämmerte es Clayton, daß Whitney darauf wartete, daß er auf sie zukam. Er hätte sich für seine Dummheit fast ohrfeigen können. In der Kirche hatte sie den ersten Schritt auf eine Versöhnung hin unternommen, da rechnete sie jetzt natürlich damit, daß er den nächsten tat.
Sobald der Tanz endete, ging Clayton direkt auf sie zu. »Wie schön, Sie wiederzusehen, Sevarin«, log er höflich und plazierte Whitneys Hand energisch auf seinem Arm. »Ich glaube, der nächste Tanz gehört mir.«
Sie erhob zwar keinerlei Einwände, aber ihr höfliches, unpersönliches Lächeln irritierte ihn doch ein bißchen, als sie sich in seinen Armen zu den Walzerklängen drehte.
Sie war noch schlanker als zuvor, und Clayton zog sie schützend an sich. Es war seine Schuld, daß sie abgenommen hatte. »Macht dir der Ball Freude?« fragte er mit einer ihr ganz fremden, sehr zärtlichen, schuldbewußten Stimme.
Whitney nickte strahlend. Sie nickte, weil sie ihrer Stimme nicht traute. Von dem Augenblick an, an dem er dieses Haus betreten hatte, machten ihr alle ihre Sinne seine Anwesenheit schmerzhaft bewußt. Sie kam sich vor, als würde sie innerlich sterben, ganz langsam und qualvoll ersticken. Er hatte ihr die Jungfräulichkeit genommen, dann seinen Heiratsantrag zurückgezogen und ihr vorgeschlagen, statt dessen Paul zu heiraten, und er hatte ihr sein Geld hingeschleudert, um sie zu besänftigen. Und doch mußte sie mit sich
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