Sturm der Leidenschaft
den Gedanken nicht ertragen, daß er eine so hochmütige Schönheit heiratete - nicht, wo sie ihn so unendlich liebte und sich dazu durchgerungen hatte, es ihm auf diese peinliche Art und Weise auch begreiflich zu machen.
Vanessa legte ihre Hand auf Claytons Arm. »Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, daß ich unser Geheimnis vor einer Fremden ausgeplaudert habe.«
»Ich bin fest davon überzeugt, daß er es Ihnen nicht im geringsten übelnimmt, Miss Standfield«, mischte sich Whitney leise ein, aber ihre Augen hingen an Clayton. »Wir alle tun mitunter törichte Dinge, wenn wir lieben. Nicht wahr, Euer Gnaden?«
»Ist das so?« gab Clayton ausweichend zurück. »Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
»Dann haben Sie entweder ein sehr kurzes Gedächtnis«, forderte ihn Whitney heraus, »oder eines, das schnell verdrängen kann. Aber vielleicht haben Sie auch noch nie geliebt.«
Vehement setzte Clayton sein Weinglas ab. »Was willst du damit eigentlich sagen?«
Das Funkeln in den grauen Augen ließ Whitney fast vergehen. »Gar nichts«, meinte sie leise.
Die Silberbestecke wurden wieder aufgenommen. Whitney sah, wie sich Claytons Hand um seinen Weinkelch schloß, öffnete, wieder schloß, und wußte, daß er sich wünschte, ihren Hals zwischen seinen Fingern zu haben. Nach einigen Minuten räusperte sich die Herzogin und wandte sich an Whitney: »Sagen Sie, Miss Stone, haben Sie nach Ihrer Rückkehr nach England die Dinge hier eigentlich sehr verändert vorgefunden?«
Whitney wollte schon eine unpersönliche Antwort geben, als sie erkannte, daß ihr die Herzogin gerade unwissentlich den Vorwand geliefert hatte, den sie brauchte. Da Clayton offenbar nicht gewillt war, ihr die Möglichkeit zu geben, sich ihm unter vier Augen zu erklären, könnte sie immerhin versuchen, sich hier, am Tisch, zumindest teilweise verständlich zu machen. »Völlig verändert!« betonte sie. »Kurz nach meiner Heimkehr mußte ich feststellen, daß mein Vater meine Eheschließung mit einem Mann arrangiert hatte, den ich gar nicht kannte.«
»Wie beunruhigend«, bemerkte die Herzogin und begann zu begreifen.
»Das war es in der Tat - besonders, da sich in mir alles sträubt, wenn mir kurzerhand Befehle erteilt werden. Und der Mann, den ich heiraten sollte, war zwar in vielerlei Hinsicht sehr freundlich und verständnisvoll, beharrte aber eisern auf der Verlobung. Er tat so, als bliebe mir gar keine andere Wahl.«
»Diese arrangierten Ehen können recht heikel sein. Man muß sich erst an sie gewöhnen«, stimmte die Herzogin zu. »Und was haben Sie getan?«
»Sie hat sich mit einem anderen Mann verlobt, einem hirnlosen Trottel«, mischte sich Clayton verächtlich ein.
»Immerhin nicht diktatorisch und tyrannisch«, gab Whitney zurück. »Außerdem habe ich mich gar nicht mit Paul verlobt!«
Eine unbehagliche Stille trat ein, bis Stephen lachend eingriff: »Nun spannen Sie uns doch nicht so auf die Folter. Was ist dann geschehen?«
Wieder antwortete Clayton für sie. »Da es noch Tausende anderer heiratsfähiger Männer in London gibt, wollte Miss Stone herausfinden, mit wie vielen von ihnen sie sich noch verloben kann.«
Whitney konnte kaum ertragen, daß er in diesem Ton über sie redete. Sie biß sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. »Nein, ich war ausschließlich mit einem Mann verlobt, aber er ist so zornig auf mich, daß er mir keine Möglichkeit zu einer Erklärung einräumte. Inzwischen hat er die Verlobung gelöst.«
»So ein Schuft!« erklärte Stephen mit Emphase und nahm sich eine weitere Portion Yorkshire Pudding. »Er scheint ein sehr launischer Geselle zu sein. Vermutlich können Sie sich glücklich schätzen, ihn los zu sein.«
»Ich bin auch nicht gerade ein sanftes Lamm«, räumte Whitney ein.
»In diesem Fall kann er sich glücklich schätzen, dich los zu sein«, fauchte Clayton und funkelte seinen Bruder drohend an. »Stephen, ich finde dieses Gespräch nicht nur außerordentlich langweilig, sondern auch ungewöhnlich geschmacklos. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
Stephen sah seinen Bruder gespielt erstaunt an, wagte es aber nicht, auf das Thema zurückzukommen.
Geräuschlos bewegten sich Diener durch den Raum, und die fünf Menschen am Tisch konzentrierten sich auf die Speisen auf ihren Tellern, doch nur Stephen aß mit sichtbarem Appetit. Whitney entschloß sich, noch einen, einen einzigen Versuch zu unternehmen, Clayton dazu zu bringen, mit ihr den Raum zu verlassen. Doch
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