Sturm der Leidenschaft
Speisezimmer zustrebten, um sich ihre Teller zu füllen. Plötzlich brachte Elizabeth Ashtons Vater Unruhe in ihre Reihen. »Sagten Sie, der Herzog von Claymore sei verschwunden?« erkundigte er sich lautstark bei einem Verwandten aus London.
»Meinen Sie tatsächlich Westmoreland?« Er klang so verblüfft, als wolle er seinen Ohren nicht trauen.
»Ja. Ich nahm an, das sei inzwischen allgemein bekannt«, erwiderte der Verwandte. »Es stand gestern in der Zeitung, und ganz London kennt kein anderes Thema.«
Innerhalb weniger Sekunden war es auch auf der Geburtstagsfeier ihres Vaters nicht anders. Jedermann äußerte die wildesten Vermutungen.
»Zu dieser Jahreszeit hält sich Claymore meiner Ansicht nach in Frankreich auf«, rief jemand.
»Oh? Meinen Sie wirklich?« erkundigte sich Tante Anne höchst interessiert und mit hochroten Wangen, die Whitney dem Rotwein zuschrieb. Doch während Lady Anne an den Mutmaßungen über das Verschwinden des Herzogs merkwürdigen Gefallen zu finden schien, wirkte ihr Vater ungewöhnlich nervös. Sie selbst fand das Thema so langweilig, daß sie unwillkürlich ein Gähnen unterdrückte.
»Müde, Kleine?« fragte Clayton leise neben ihr.
»Ein wenig«, gab sie zu, während Clayton ihre Hand auf seinen Arm legte und mit seinen Fingern bedeckte, als wollte er ihr etwas von seiner Energie übertragen. Es schickte sich nicht, daß er sie »Kleine« nannte. Es schickte sich auch nicht, daß er so vertraut ihre Hand umfaßte. Aber sie war so dankbar für seinen Beistand, daß sie sich darüber keine Gedanken machte.
»Wie ich hörte, soll sich seine Geliebte im vergangenen Monat in Paris das Leben genommen haben«, verkündete Margaret Merryton ihren erschreckten Zuhörern. »Offenbar hat ihr Claymore den Laufpaß gegeben. Sie sagte ihre Gastspiele ab, zog sich in die Abgeschiedenheit zurück und . . .«
». . . gibt gerade ein Vermögen aus, um das Landhaus renovieren zu lassen, das sie vor kurzem erworben hat«, unterbrach Amelia Eubank eisig. »Sollen wir etwa glauben, sie sei ein Geist, Sie Spatzenhirn?«
Lady Eubanks scharfe Zunge ließ Margaret zusammenzucken. Tief errötend drehte sie sich um und sah Clayton hilfeflehend an. »Mister Westland, Sie waren doch kürzlich in Paris und London. Sie haben doch bestimmt von dem Selbstmord gehört?«
»Nein«, entgegnete Clayton knapp. »Mir ist nichts Derartiges zu Ohren gekommen.«
Margarets Vater strich sich nachdenklich über den Spitzbart. »Mademoiselle Saint-Allermain hat also ein Landhaus gekauft?« Anzüglich lachend wandte er sich an zwei ältere Gentlemen. »Das hört sich für mich ganz so an, als hätte Claymore sie ausgezahlt - mit einem kleinen Extrabonus für gutes Verhalten!«
Whitney spürte, daß sich Claytons Armmuskeln verspannten. Sie hob den Kopf und sah, daß er Mr. Merryton und die anderen mit so ausgeprägtem Widerwillen betrachtete, daß sie erschauerte. Unerwartet wandte er sich ihr zu, und ein leichtes Lächeln überzog sein Gesicht.
Innerlich konnte Clayton jedoch kaum lachen. Er war verärgert über seinen Sekretär, der offenbar all diesen Gerüchten Nahrung gegeben hatte, weil ihm keine plausible Ausrede für seine Abwesenheit eingefallen war. Und nun stellte seine Umgebung zu allem Überfluß auch noch Spekulationen über seine neue Geliebte an.
»Ich setze fünf Pfund auf die Countess Dorothea«, erklärte Mr. Ashton. »Hält jemand dagegen?«
»Selbstverständlich«, meldete sich Mr. Merryton. »Die Countess ist doch ein alter Hut! In den vergangenen fünf Jahren hat sie sich die Beine nach dem Herzog ausgerissen, ist ihm sogar nach Paris gefolgt, während der alte Earl auf dem Totenbett lag. Und was ist geschehen? Claymore hat ihr vor halb Paris die kalte Schulter gezeigt. Seine Wahl wird auf Lady Vanessa Standfield fallen, und er wird sie sogar heiraten. Seit ihrem Debüt wartet sie geduldig auf ihn. Ich wette fünf Pfund, daß sich der Herzog Lady Standfield zuwendet und die junge Frau auch heiratet. Hat noch jemand Interesse an einer sportlichen Wette?«
Dieses Gesprächsthema war in der Anwesenheit von Ladies absolut unpassend, und mit großer Erleichterung stellte Whitney fest, daß sich ihre Tante offenbar endlich zum Eingreifen entschloß. »Mister Merryton«, sagte sie und machte eine kurze Pause, bis sie die Aufmerksamkeit aller hatte. »Sind Sie an einer Erhöhung auf zehn Pfund interessiert?«
Schockiertes Schweigen quittierte dieses undamenhafte Verhalten, bis Claytons
Weitere Kostenlose Bücher