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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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für sie beide. Er wollte gerade den Gasgriff aufdrehen, da hörte er ein Tosen und Rauschen in der Luft wie kurz vor einem Tornado.
    Jerry schaute hinauf in die Bäume, aber die Wipfel bewegten sich kaum. Dennoch, das Geräusch wurde lauter. Es klang wie ein vollbesetztes Footballstadion irgendwo in der Ferne. Kevins Gejammer hatte aufgehört. Er hatte den Benzinkanister fallen gelassen und starrte mit demselben verwirrten Gesichtsausdruck in die Bäume.
    »Hörst du …?«, begann er, aber Jerry herrschte ihn an, still zu sein.
    Er stellte den Motor ab, um besser hören zu können, und das Tosen wurde sofort um ein Vielfaches lauter. Jerry kletterte von der Sitzbank herunter. Die Erde unter seinen Füßen zitterte wie bei einem leichten Erdbeben. Das Bild im Rückspiegel seines Schneemobils vibrierte, und die Baumkronen hoch über ihnen schüttelten den Schnee von ihren bräunlichen Nadeln, die leblos herabhingen wie verkochte Nudeln.
    »Setz dich auf deinen Schlitten«, sagte Jerry und stieg auf, doch Kevin starrte ihn nur an, als hätte er kein Wort verstanden.
    »Setz dich auf deinen verdammten Motorschlitten!«, schrie Jerry und ließ den Motor aufheulen.
    Das war kein Wind, sondern etwas ganz anderes.
    Je lauter das Geräusch wurde, desto mehr hörte es sich an wie ein Zischen, und es kam mit jeder Sekunde näher. Der Boden zitterte jetzt wie bei einem ausgewachsenen Erdbeben, Jerry riss den Lenker seines Motorschlittens herum und jagte in der entgegengesetzten Richtung davon.
    Kevin hatte Jerry gehört, aber er war wie gelähmt vor Angst. Die Baumlinie vor ihm schien ihm wie der Eingang zur Hölle selbst, die Kiefern schüttelten sich, als wären sie lebendig geworden, und entledigten sich der Schneelast auf ihren Ästen. Das Unterholz schien ebenfalls zu einem Eigenleben zu erwachen und zuckte und waberte, als würde es jeden Moment zerreißen, dann begannen überall kleine goldene Punkte aufzuleuchten wie ein Meer von Glühwürmchen.
    Kevin schrie und konnte seine Beine endlich dazu bringen, sich zu bewegen. Er sprang auf seinen Motorschlitten und drehte den Zündschlüssel. Der Motor erwachte stotternd zu neuem Leben und heulte auf, aber Kevin kam nicht mehr dazu, den Gashahn aufzureißen.
    Hunderte von Monstern kamen aus dem Unterholz gejagt, rasiermesserscharfe Zähne und Klauen blitzten auf, und im Licht des Scheinwerferkegels schimmerten die Umrisse von glatter, pechschwarzer Echsenhaut. Der Schwarm ergoss sich über ihn wie eine Lawine, die Windschutzscheibe zerbarst, und Kevin brüllte aus voller Kehle, doch das Einzige, was er hörte, war dieses unmenschliche Zischen. Klauen gruben sich in seine Haut und schnitten hinunter bis auf den Knochen, rissen ganze Klumpen von Fleisch aus seinem Körper, die von gierigen Kiefern noch in der Luft aufgeschnappt und verschlungen wurden. Der Schmerz war entsetzlich, aber kurz. Sie zerfetzten seine Luftröhre und rissen ihm die Lunge zwischen den zerschmetterten Rippen hindurch aus dem Brustkorb, sein Schädel zerplatzte, als wäre er mit seinem Speeder gegen eine Betonwand gerast.
    Als sie weg waren, war von Kevins Leben nicht mehr übrig als eine kaum zwanzig Meter lange Blutspur im Schnee, in der zwischen unzähligen nichtmenschlichen Fußspuren ein paar zersplitterte Knochen lagen, und ein Schneemobil mit zerfetzter Sitzbank, dessen Motor im Leerlauf leise vor sich hin schnurrte.
    Jerry holte so viel Geschwindigkeit aus der Maschine wie nur irgend möglich, aber jedes Mal, wenn er in den Rückspiegel sah, waren die gelben Augen darin noch ein Stück näher gekommen. Er nahm eine Hand vom Lenker, riss sich das Gewehr vom Rücken und feuerte blind über seine Schulter, bis das Magazin leer war, dann schleuderte er die nutzlose Waffe hinaus in die Nacht.
    Er zog den Kopf ein und presste seine Knie zusammen, so weit er konnte, um seinen Luftwiderstand zu verringern, aber auch das war nicht genug, um ihn zu retten. Das Zischen übertönte jetzt sogar das Heulen des Motors, dann schlug etwas von hinten gegen das Schneemobil, das Heck brach zur Seite, und Jerry wusste, dass er verloren war. Klauen fuhren durch seinen Parka und bohrten sich in sein Fleisch wie Angelhaken. Der Motorschlitten schoss unter ihm davon und raste gegen einen Baumstamm, doch Jerry lag bereits flach auf dem Rücken im Schnee in einer Pfütze aus seinem eigenen Blut und zerfetzten Fleisch.

LIII
     
    MORMON TEARS
     
    Adam war mit Phoenix schon den halben Weg zurück zum Strand gegangen, bevor

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