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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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schwarze Rauchwolken in den Himmel spuckte.
    »Und was tun wir jetzt?«, fragte April und zog Darrens Arm um ihre Hüfte.
    »Wir warten«, erwiderte Phoenix. Dann drehte er den Flammen den Rücken zu und ging hinunter zum Deich. Alle nebeneinander gingen sie dahinter in Stellung und beobachteten das Feuer draußen auf der Insel, das immer wieder zwischen Schneeflocken und Sturmwolken aufflackerte.

LII
     
    AUF DEM GROSSEN SALZSEE
     
    »O mein Gott. O mein Gott. O mein Gott«, stammelte Kevin immer wieder. Er hatte den Tank seines Schneemobils bis auf den letzten Tropfen leergesaugt und es erst bemerkt, als der Motor stotternd zum Stehen gekommen war. Seine Hände zitterten so heftig, dass er mehr Benzin neben den Tank als hinein goss. »Gott im Himmel … hast du das gesehen?! Er hat … er hat dem Jungen die Augen ausgestochen!«
    Jerry ergriff die Gelegenheit und tankte ebenfalls nach, wenn auch mit etwas mehr Ruhe.
    »Ich will jetzt nicht darüber reden.«
    »Aber da war überall so viel Blut, und seine Augen, sie sind einfach aus den Höhlen gesprungen.«
    »Sei still.«
    »Was zum Teufel sollen wir jetzt bloß tun?«
    »Ich sagte, du sollst still sein!«
    »Was sollen wir bloß den anderen erzählen? Ich meine, die werden uns kein Wort glauben. Die Geschichte ist einfach viel zu … viel zu …«
    »Halt endlich dein Maul!«, brüllte Jerry so laut, dass seine Stimme von den Nadelbäumen um sie herum zurückgeworfen wurde.
    Kevin zuckte zusammen, als hätte jemand ihn geohrfeigt. Alles in seinem Kopf drehte sich. Ein Teil von ihm war absolut sicher, dass niemals geschehen sein konnte, was er da gesehen hatte. Es war vollkommen ausgeschlossen, dass Richard diesem Jungen gerade die Augen ausgestochen hatte. Niemals würde er einem anderen Menschen ein Messer in den Augapfel rammen und ihn dann herausreißen. Das war barbarisch. Krank. Noch nie in seinem Leben hatte er etwas derart Schreckliches mit ansehen müssen. Kevin wollte nichts anderes mehr, als wieder auf seinen Motorschlitten zu springen und so schnell und weit wegzufahren wie möglich.
    »Was, glaubst du, wird er mit den anderen machen?«, flüsterte er.
    »Das geht uns nichts an«, erwiderte Jerry knapp.
    »Er wird sie alle umbringen, oder?« Kevins Stimme klang jetzt eine ganze Oktave höher, als wäre er kurz davor zu hyperventilieren.
    »Warum, glaubst du, sind wir überhaupt dorthin gefahren?«
    »Ich dachte, wir wollten nur den Jungen da rausholen, damit ihm nichts passiert.«
    »Und wie sollten wir das deiner Meinung nach anstellen? Hast du dir nichts dabei gedacht, wie wir all die Gewehre mitgenommen haben?«
    »Ich habe nicht geglaubt, dass wir sie tatsächlich benützen würden.«
    »Was? Hätten wir etwa nur mit ihnen herumfuchteln sollen? Wie naiv bist du eigentlich?«
    »Aber, ich dachte …«
    »Aber, aber. Halt endlich dein Maul.«
    Der Tank war voll und das Benzin begann, über den Nachfüllstutzen zu schwappen. Jerry schüttelte den Kanister, um nachzusehen, ob noch genug darin war, um ihn aufzuheben, dann schraubte er den Tank wieder zu. Er wischte den Schnee weg, der sich bereits auf der Sitzbank gesammelt hatte, dann schwang er sich auf seinen Speeder.
    »Fahr nicht ohne mich los!«, stammelte Kevin, der mittlerweile am Rand eines Nervenzusammenbruchs zu sein schien. Er konnte kaum mehr atmen, konnte nicht denken. Die ganze Welt um ihn herum drehte sich. Erst vor einer Woche hatte er seinen neuen Job als Sozialarbeiter angetreten. Sein Beruf war es, Kindern eine Aussicht auf eine bessere Zukunft zu geben, und er war zwar ein paarmal mit seinem Onkel auf der Jagd gewesen und deshalb kein vollkommener Neuling im Umgang mit Feuerwaffen, aber er hatte nie im Traum daran gedacht, jemals ein Gewehr auf einen Menschen abzufeuern. Sein Magen rumorte, und noch bevor Kevin wusste, wie ihm geschah, ergoss sich der Inhalt über seine Hose und die Sitzbank.
    »Jetzt reiß dich endlich zusammen!«, bellte Jerry und ließ den Motor an. Das Letzte, das er jetzt gebrauchen konnte, war, einen Erwachsenen im Schlepptau zu haben, der sich aufführte wie ein kleines Kind. Alles, worauf es jetzt ankam, war, die Zähne zusammenzubeißen und die eigene Haut zu retten, und er saß hier mit diesem Weichei fest. Besser, er ließ ihn einfach hier zurück, bevor er ihn noch hinterherschleifen musste wie einen festsitzenden Anker. So war die Welt nun mal. Nur die Stärksten überleben. Sollte diese Memme doch verrecken. Wahrscheinlich wäre das sogar das Beste

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