Sturm der Seelen: Roman
eine Spinne, die er im nächsten Moment zertreten wird … Adam wusste, dass er so gut wie tot war. Die rechte Hand auf seinen Bauch gepresst, um die Wunde einigermaßen zu verschließen, strampelte er mit den Beinen in dem Versuch, sich von Krieg wegzuschieben, aber es war sinnlos, er folgte ihm mühelos.
Dann blieb er stehen. Er ballte seine Fäuste, und das Feuer in seinem Auge breitete sich über seinen ganzen Kopf aus.
Adam betete nur, dass es schnell gehen möge.
Hinter sich hörte er einen Schrei, dann sah er aus dem Augenwinkel eine schnelle Bewegung. Kriegs Auge verengte sich, und er richtete seine Aufmerksamkeit auf den verschwommenen Fleck, der über Adam hinweg auf ihn zugestürzt kam und sich mit voller Wucht gegen seine Brust warf. Der rote Reiter mochte keine Angst fühlen, aber Schmerz fühlte er sehr wohl. Krieg warf sein mächtiges Haupt in den Nacken und schleuderte einen Schrei in den Himmel, als brächen die Klagen aller menschlichen Seelen, die in der Hölle schmorten, aus seiner Kehle.
Adam krabbelte hastig davon, doch als er sich noch einmal kurz umdrehte, begriff er endlich, was geschehen war.
»Nein!«, brüllte er und zog einen weiteren Speer aus einer der Leichen. Er nahm die blutverschmierte Hand von der Wunde auf seinem Bauch, packte den Spieß und stürzte sich auf Krieg.
Der Schwarm war mittlerweile vollkommen in Raserei versetzt, die vielen Augen leuchteten noch heller als zuvor, und sie blähten und schüttelten ihre Kehlsäcke in tollwütiger Erwartung. Wie Hyänen, die einen Löwen mit seiner frisch geschlagenen Beute umkreisen, rannten sie nervös ein paar Schritte nach vorn, um sich dann blitzschnell wieder zurückzuziehen – sie rochen das Blut in der Luft, und sie witterten das Festmahl, das jeden Moment beginnen würde.
LXVII
MORMON TEARS
Missy schaute aus der Höhle nach draußen. Sie war so wütend und gleichzeitig so verängstigt, dass sie alles in Rot sah. Ihr Bruder lag auf dem Boden und litt so schreckliche Schmerzen, wie sie es noch nie bei ihm gesehen hatte; sein Fußknöchel schien vollkommen zerschmettert. Phoenix lehnte in sich zusammengesunken an der Wand, und in dem Blut, das seinen ganzen Körper bedeckte, spiegelten sich die Flammen des Feuers, in dem das knöcherne Reittier dieser Ausgeburt der Hölle zu Asche verbrannte. Phoenix’ Wunden mochten nicht tief sein, aber sie waren überall. Er sah aus, als hätte man ihn durch eine dichte Dornenhecke geschleift, selbst sie war über und über mit seinem Blut beschmiert. Alle, die sie liebte, starben. Der emotionale Schmerz war unvorstellbar und erzeugte in ihr einen Hass, den sie niemals für möglich gehalten hätte. Ihrem Bruder konnte sie nicht helfen und Phoenix auch nicht. Adam stand vollkommen alleine einem Monster gegenüber, das ihn jeden Moment zerquetschen würde, und der Schwarm wartete in ekstatischer Erregung nur darauf, alle in Stücke zu reißen, die danach noch am Leben waren. Und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, dass alle Hoffnung sie im Stich ließ.
Es gab nur noch Schmerz und Leid.
Adam richtete in einem letzten, hoffnungslosen Versuch seinen Speer gegen den gepanzerten Krieger, aber der bewegte sich viel zu schnell, zerbrach den Speer und warf ihn einfach in den Schnee. Dann rammte er Adam eine Faust in den Bauch, und Adam klappte zusammen wie ein Streichholz. Der Schlag hatte ihn vollkommen überrascht, und jetzt lag er auf dem Boden, und sein Blut färbte den Schnee rot. Er schien sich nicht einmal mehr bewegen zu können.
Alles war verloren.
Missy schrie. Sie gab sich ganz dem Feuer des Hasses hin, das in ihr wütete. Bilder schossen ihr durch den Kopf, Bilder von all ihren Freunden: Phoenix und Mare verletzt und geschlagen; die Blutlache im Schnee, wo April und Darren gestorben waren; Lindsay, wie sie nach hinten umgerissen worden war, als die Ladung Stahlkugeln ihre Brust zerriss; Ray mit diesen zwei dunklen, verklebten Löchern in seinem Schädel, in denen einmal seine Augen gewesen waren; Adam, der jetzt zu Füßen dieses Ungeheuers in seinem eigenen Blut lag. Als schließlich Kriegs ganzer Kopf in diesem unnatürlichen Feuer aufloderte, konnte Missy es nicht mehr ertragen. Schreiend vor Wut und Schmerz rannte sie hinaus in den Sturm, sprang über Adam hinweg und stürzte sich auf den Reiter. Sie wollte ihn zu Boden werfen, aber es war, als pralle sie gegen eine Ziegelmauer.
Er sah sie erst, als sie sich schon auf ihn stürzte, und er konnte
Weitere Kostenlose Bücher