Sturm der Verfuehrung
Charlie empfand.
Malcolm winkte ihn energisch weiter. »Gehen Sie! Machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken.«
Das ließ sich Charlie nicht zweimal sagen. Er drehte sich um und rannte Richtung Stall.
Kurz darauf galoppierte er mit Storm gen Norden, querfeldein nach Conningham Manor. Zu Sarah.
Fünf Minuten nach ihm verließ auch Malcolm Morwellan Park, ritt auf seinem schwarzen Wallach ebenfalls Richtung Norden, aber er nahm die Straße.
Als Sarah zu sich kam, spürte sie eine zarte Hand, die ihr behutsam das Haar aus dem Gesicht strich. Der höllische Schmerz in ihrem Rücken hatte sich in ein Brennen verwandelt, wie sie es von Schürfwunden kannte.
Sie lag auf der Seite, und als sie die Augen öffnete, erkannte sie, dass ihr Kopf im Schoß ihrer Mutter lag. Vorsichtig richtete sie sich auf.
»Langsam, langsam.« Lady Conningham half ihr, sich aufzusetzen und blickte dann quer durch den Raum. »Miss Twitterton, vielleicht könnten Sie die Köchin bitten, die Hühnerbrühe jetzt heraufzuschicken.«
Von der vertrauten Bank in der Fensternische im kleinen Salon aus sah Sarah Twitters’ Röcke zur Tür hinaus verschwinden und Clary und Gloria auf der anderen Seite des Zimmers beinahe vor Ungeduld platzen. Bevor ihre Schwestern sich entscheiden konnten, mit welcher Frage sie beginnen wollten, wandte Sarah sich ihrer Mutter zu. »Hatte ich wirklich einen Pfeil im Rücken?«
Ihre Mutter nickte. »Von einer Armbrust. Euer Vater ist nicht nur deinetwegen aufgebracht, sondern auch, weil momentan Schonzeit für Wild ist, das mit dieser Waffe erlegt wird. Also war es entweder ein Wilderer - oder ein Attentäter.«
Sarah versuchte, den Verband auf ihrem Rücken zu ertasten, zuckte unwillkürlich zusammen, als Haut und Muskeln sich wehrten.
»Lass das.« Mit sanftem Nachdruck führte ihre Mutter den Arm wieder nach vorne. »Zum Glück war Dr Caliburn gerade zu Besuch. Er hat die Wunde sofort gereinigt und verbunden.« Sie tätschelte Sarahs Hand. »Er sagte, es sei keine gefährliche Verletzung, du hättest großes Glück gehabt.«
Obwohl Lady Conningham sich um eine feste Stimme bemühte, hörte Sarah das Zittern darin, und sie drückte tapfer lächelnd die Hand ihrer Mutter. »Es geht mir gut. Wirklich.«
Abgesehen von den Schmerzen, natürlich. Sie drehte den Kopf und schaute aus dem Fenster. »Wie spät ist es?«
»Kurz nach vier. Wir haben den Stallburschen natürlich sofort nach Morwellan Park geschickt, damit er Charlie informiert.« Ihre Mutter schüttelte die kurze Jacke aus, die Sarah getragen hatte, und die Überreste der Bluse, die sie darunter angehabt hatte. »Die Jacke kann man waschen und flicken, aber die Bluse ist die Mühe nicht wert. Die du jetzt anhast, gehört Clary.«
Sarah schaute auf das feine Leinen hinunter, das sie züchtig bedeckte, und warf Clary ein Lächeln zu. »Danke.«
Clary winkte ab. »Keine Ursache. Wie hat es sich denn angefühlt? Als sich der Pfeil in dein Fleisch bohrte, meine ich.«
»Clary!« Lady Conningham bedachte ihre blutrünstige Tochter mit einem strengen Blick.
Aber Sarah grinste und dachte an den Moment zurück. »Es brannte.«
»Das reicht, Mädchen«, stoppte Lady Conningham Gloria, die gerade den Mund zu einer Frage geöffnet hatte. Twitters kam mit einem Tablett zurück, auf dem ein Suppenteller mit der berühmten Allheilhühnerbrühe der Köchin stand.
»Sie müssen zu Kräften kommen«, ordnete die kleine, zierliche Erzieherin energisch an, als sie das Tablett auf einen kleinen Tisch vor Sarah stellte. »Der Earl wird gleich hier sein, und Sie wollen doch nicht wieder ohnmächtig werden.«
Sarah verbarg ein Lächeln ob Twitters’ Fähigkeit, ihre Schützlinge stets mit dem richtigen Argument zu Gehorsam zu bewegen, und nahm pflichtschuldigst den Löffel in die Hand.
Sie war vorher noch nie ohnmächtig geworden und hatte tatsächlich das Bedürfnis nach Stärkung.
Als sie gerade den Löffel in den leeren Teller legte, lenkte Hufgetrappel auf Kies aller Blicke in Richtung Vorplatz, wo Charlie im nächsten Moment vom Pferd sprang und auf die Eingangstür zueilte.
Lady Conningham musterte ihre verletzte Tochter besorgt. »Fühlst du dich kräftig genug, um aufzustehen?«
Statt zu antworten, erhob Sarah sich vorsichtig. Twitters entfernte hastig Tisch und Teller. Abgesehen von dem Schmerz im Rücken hatte Sarah keinerlei Beschwerden. Die Hühnerbrühe hatte Wunder gewirkt. »Ich fühle mich sehr gut.«
Und sie wollte unbedingt nach Hause. Das
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