Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Flöten entlang und brachte mich schließlich zum Hang des schlafenden Berges. Unter einem Felsbrocken quoll Dampf auf. Ich blieb stehen, um den Handteller kurz auf den Boden zu pressen. Er war warm.
Zur Abwechslung stand mir dann mal wieder ein Anstieg bevor. Ich kraxelte an rot-schwarzen vulkanischen Stalagmiten vorbei, die alle zwei- bis dreimannshoch waren. Bei etlichen von ihnen waberte um die Spitze grau-gelber Rauch, der regelrecht stank.
Ich versuchte, nicht tief einzuatmen, und sah mich nach allen Seiten um. Schon seit einigen Minuten lief ich durch eine echte Rauchwolke.
Endlich ließ ich die Stalagmiten hinter mir. Um mich herum wogte jetzt zusätzlich Dampf, der Boden wirkte wie tot, in ihm wuchs nicht mal ein erbärmlicher Strauch. Keine Ahnung, was Giss hier suchte, aber sich am schlafenden Berg rumzutreiben, der meiner Ansicht nach kurz davor war aufzuwachen, schien mir eine närrische Idee. Wahrscheinlich hätte ich die Wiederbegegnung mit dem Dämonenbeschwörer besser auf ein andermal verschoben.
Immerhin kam nun Wind auf. Das graubraune Knäuel aus Dampf und Rauch wurde auseinandergerissen wie eine Schafsherde, die einen Wolf erblickte. Plötzlich hatte ich freie Sicht auf das riesige, sonnendurchflutete, höckerige rot-graue Tal mit unseren bizarren Palisadenzäunen, den toten und den laut singenden Berg. Am Fuß des schweigenden Berges, der von Westen an unser Lager angrenzte, lag ein See in Form des zunehmenden Mondes. Von hier aus sah er giftgrün aus. Die Nirithen hatten es uns allen strikt untersagt, uns ihm zu nähern. Seine Dämpfe waren tödlich, ganz zu schweigen von dem Wasser, das binnen weniger Sekunden alles auflöste, mit dem es in Berührung kam.
Zweihundert Yard vor mir erblickte ich Giss. Er rutschte auf den Knien über den Boden. Auf meinem Weg zu ihm musste ich über eine kleine Grube springen, an deren Grund Schlamm brodelte. Als er meine Schritte hörte, drehte er sich um, stand auf, klopfte sich die Hosen ab, kniff die Augen zusammen und spähte in meine Richtung.
Lächelnd winkte ich ihm zu.
Giss erwiderte mein Lächeln, seine Augen forschten jedoch in meinem Gesicht.
»Es tut mir leid, was mit Lahen geschehen ist«, sagte er, sobald ich ihn erreicht hatte. Als er meinen verständnislosen Blick bemerkte, ergänzte er: »Luk hat es mir erzählt.«
Obwohl er freundlich mit mir sprach, musterte er mich doch irgendwie merkwürdig. Seine rechte Hand steckte in seiner alten Tasche. Mit einem Mal begriff ich, was Sache war.
»Ganz ruhig. In mir steckt nicht irgendein Geist.«
»Das will ich ja auch gar nicht behaupten. Trotzdem stimmt etwas nicht mit dir.«
»Das weiß ich«, erwiderte ich. »Aber das stellt keine Gefahr dar.«
Er zögerte noch kurz, zog dann aber doch die Hand aus der Tasche: Offenbar meinte er, auf einen Einsatz seines Stabs verzichten zu können.
»Ich vertraue auf dein Wort. Aber mit dir …« Er stockte, runzelte die Stirn und kaute auf der Lippe. »Erinnerst du dich noch an diesen Jungen, der dich in dem Dorf angefallen hat, in dem wir auf die Sdisser gestoßen sind?«
»Glaub mir, das lässt sich nicht miteinander vergleichen«, entgegnete ich. »Jetzt erst mal das Wichtigste: Es freut mich, dich zu sehen. In Alsgara mussten wir uns ja in aller Eile trennen.«
Mir fiel das Ufer des Austernmeers wieder ein, das Boot, Giss’ toter Schüler, die verfallenen Speicherhallen, der verkohlte Körper des toten Dämons, unsere Flucht …
Giss durchbohrte mich noch einmal mit seinem Blick, lächelte mich aber mittlerweile aufrichtig an. »Die Freude ist ganz auf meiner Seite.«
»In Alsgara dürfte es nicht gerade ruhig zugegangen sein?«
»Nur in den ersten Tagen nicht. Rowan konnte aber nicht weiter als bis zu den äußeren Mauern vordringen. Und mit diesen Biestern von Shoy-chashs sind wir Dämonenbeschwörer einigermaßen zurande gekommen.«
»Wie ist es dir gelungen, die Stadt zu verlassen?«
»Auf dem gleichen Weg, den viele andere genommen haben«, antwortete Giss. »Mit einer Bande von Schmugglern. Die Mutter hatte mich gebeten, einen Brief ins Regenbogental zu bringen. Dort bin ich allerdings nur einer Verdammten in die Arme gelaufen.«
»Du hast Blatter gesehen?«, fragte ich erstaunt.
Daraufhin musterte er mich allerdings gleich wieder aufmerksamer, fragte jedoch nicht, woher ich eigentlich wusste, dass ausgerechnet diese Verdammte im Regenbogental gewesen war.
»Ja, aber nur kurz. Sie hat sich nicht weiter für mich interessiert
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