Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
verkraften.
Am stärksten von uns allen litt Yumi. Kein Wunder, bei seinem empfindlichen Näschen. Er lief nur noch bedrückt herum, verlor den Appetit und fiepte jämmerlich etwas von seinem Hund. Der Waiya versuchte nach Kräften, seinen Auftrag zu erfüllen, verlor am Ende aber die Spur. Meine letzte Chance, Scharlach zu erwischen, löste sich im Gestank der Brandstätten und verfaulten Leichen auf.
»Sollen wir überhaupt noch auf dieser Straße bleiben?«, fragte Luk.
»Scharlach ist auf dem Weg nach Korunn, um dort Blatter und Pest zu treffen«, antwortete ich. »Ein Blick auf diese Schlachtfelder genügt, um zu wissen, dass wir in die richtige Richtung reiten.«
»Aus, du Hund«, brachte Yumi hervor, der ebenfalls unbedingt daran glauben wollte, dass wir die Verdammte noch fänden.
Luk seufzte bloß schwer, fing aber keinen Streit an. Er wusste nur zu gut, dass er dieses Unternehmen – wenn er sich nun schon einmal darauf eingelassen hatte – auch zu Ende bringen musste.
Gegen Abend, als die Hitze etwas nachließ, erreichten wir ein hinter Weiden verstecktes Tal an einem Fluss, in dem ein niedergebranntes Dorf lag. Es hob sich als schwarzer Fleck inmitten des Grüns und der prachtvollen Natur ab. Wir näherten uns ihm vorsichtshalber nicht, sondern hielten uns östlich davon, wo wir zwischen mächtigen Eichen ein lauschiges Plätzchen für unser Nachtlager fanden.
»Seit zwei Tagen haben wir nicht eine Spur entdeckt«, sagte Ga-nor. »Auf das letzte Schlachtfeld sind wir in der niedergebrannten Stadt gestoßen, während der Suche nach einer Furt.«
»Was erwartest du? Diese Gegend ist zu öde. Hier gibt es keine Dörfer, gegen die man kämpfen könnte. Oder die Widerstand leisten würden. Die großen Städte und die Festungen kommen erst noch. Dort werden wir wieder auf Feinde und Tote stoßen, bis uns beide zu den Ohren rauskommen.«
»Wir haben nur noch wenig Proviant«, brummte Luk, der mit einem Holzlöffel im Kessel rührte.
»Wo hätten wir auch Essen auftreiben sollen?!«, erwiderte ich. »Die Armee hat die Gegend verheert. Im Herbst werden die Menschen alle Hungers sterben.«
»Jedenfalls wäre es nicht schlecht, wenn du morgen was schießt«, knurrte Luk, während er am Essen schnupperte. »Dann käme mal wieder Fleisch in den Topf.«
»Versprechen kann ich nichts.«
»Aus, du Hund.«
Yumi nieste und rieb sich die Nase. Anscheinend kehrte sein Appetit allmählich zurück.
Nachdem ich mein Essen mit Widerwillen hinuntergebracht hatte, wollte ich mit Lahen reden. Unsere Gespräche im Traum reichten mir längst nicht, am liebsten hätte ich ihre Stimme ständig gehört. Sie wandte sich jedoch nur äußerst selten an mich. Ein kaum hörbares Flüstern meines Augensterns stellte sich häufig genug als Einbildung meinerseits heraus. In solchen Minuten meinte ich, dass sie doch nicht mehr am Leben sei, trotz allem, was mir Thia und Garrett gesagt hatten. Und trotz unseres Gesprächs in den Sümpfen der Ödnis. Ein Sprichwort besagt, nichts sei leichter zu verlieren als die Hoffnung. Dem konnte ich nur zustimmen. An etwas zu glauben, das du nicht anfassen kannst, ist ziemlich schwierig …
»Wir müssen uns überlegen, was wir weiter machen, Ness«, riss mich Ga-nor aus meinen tristen Gedanken.
»Ich wollte Scharlach finden und sie erledigen, solange sie durch die Schlacht in Bragun-San noch geschwächt ist. Aber seitdem ist schon zu viel Zeit vergangen. Inzwischen dürfte sie wieder erstarkt sein. Damit wird es immer gefährlicher, sich ihr auf mehr als eine League zu nähern.«
»Da platzt doch die Kröte! Du willst ja wohl keinen Rückzieher machen?!«, ereiferte sich Luk. »Als ob das Leben nicht so oder so gefährlich ist!«
Da hatte er recht. Und selbst wenn mein Kopf mir sagte, dass alles keinen Sinn hatte, schrie mein Herz doch, dass ich auf gar keinen Fall aufgeben dürfe.
»Nein, ich werde keinen Rückzieher machen. Gut, vielleicht schnappen wir Scharlach nicht. Aber wenn wir diese Richtung beibehalten, kommen wir nach Korunn. Dort könnten wir uns wieder der Armee anschließen. Soldaten werden schließlich immer gebraucht.«
»Aus, du Hund!«
Zumindest Yumi war bereit, selbst jetzt noch zu kämpfen. Aber Luk beurteilte die Lage wesentlich skeptischer.
»Bis wir die Hauptstadt erreicht haben, ist die Schlacht dort doch vorüber«, sagte er.
»Das weiß Ug allein«, widersprach Ga-nor. »Falls sich die Soldaten tapfer halten, kann Korunn sogar ein Jahr lang Widerstand
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