Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Shen und sagte: »Ihr seht wie zwei Verschwörer aus. Was gibt es denn so Dringendes?«
Wir sonderten uns ein wenig von den anderen ab und blieben im hohen Gras stehen.
»Ich möchte Lahen und dir gern helfen«, nahm Shen das Gespräch unsicher auf.
»Und wie?«
»Mit Thias Kraft«, antwortete Rona an seiner Stelle. »Davon haben wir genug aufgenommen, um es mit Lahen zu teilen.«
»Wozu das?«
»Also …«, setzte Rona an, suchte Shens Blick und fuhr noch unsicherer als dieser fort: »Wir hoffen, sie wird es etwas einfacher haben, wenn sie ein wenig Kraft erhält.«
»Was soll das denn schon wieder heißen?«
»Nun stell dich nicht so dumm!«, brauste Shen auf. »Das soll heißen, dass du dann mit ihr reden kannst.«
»Oh!« Mehr fiel mir dazu nicht ein.
Dieser Vorschlag klang verlockend. Nur hegte ich gewisse Vorbehalte.
»Wisst ihr wirklich genau, was ihr da tut?«, wollte ich wissen.
»Einigermaßen schon«, druckste Shen.
»Na, wenn das nicht überzeugt«, brummte ich.
»Die Entscheidung liegt allein bei dir, Ness. Aber unsere Funken brennen zurzeit unbeschreiblich hell«, sagte Rona. »Wer weiß, wann sich noch einmal eine solche Gelegenheit bietet.«
»Thia hat mir erklärt, wie ich bei ihr vorgehen muss. Bei Lahen liegt der Fall etwas anders. Aber das Prinzip müsste sich übertragen lassen«, meinte Shen. »Da bin ich mir ganz sicher.«
»Ist es gefährlich?«
»Für dich?«
»Für Lahen!«
»Nein, natürlich nicht. Zumindest theoretisch nicht. Im schlimmsten Fall würde es für dich ein wenig schmerzhaft werden.«
»Dann sehe ich keinen Grund, warum wir es nicht versuchen sollten. Fangt an.«
»Das macht Shen allein«, sagte Rona lächelnd. In ihrer Stimme schwang jedoch Nervosität mit. »Leider bin ich ja keine Heilerin.«
»Keine Sorge«, erwiderte ich, »Shen schafft das spielend allein.«
»Eigentlich müsste ich dich ja trösten«, sagte sie lachend. »Und dir versichern, dass du nicht den geringsten Anlass hast, dir Sorgen zu machen.«
»Ich vertraue Shen blind. Deshalb mache ich mir tatsächlich keine Sorgen.«
»Seit wann das denn?«, murmelte Shen. Trotzdem konnte er nicht verbergen, wie sehr ihn meine Worte freuten. »Setz dich lieber hin, Ness. Falls es dich von den Beinen holt …«
Ich hockte mich ins Gras und atmete tief ein. In der Luft lag der bittere Wiesengeruch und ein Duft nach Milch, den der Wind herantrug. Der Mond kroch von einer Wolke zur nächsten, die Zikaden zirpten.
»Bist du bereit?«, erkundigte sich Shen.
»Ja«, antwortete ich und wischte mir die schweißnassen Hände ab.
Hatte ich nicht eben noch behauptet, die Ruhe selbst zu sein …?!
»Und du …?«, wandte sich Shen an Rona.
»Keine Sorge, ich kontrolliere den Strom«, versicherte diese, packte mich bei den Schultern und pustete mir energisch, meine Haut dabei mit ihrem Atem verbrennend, ins Ohr. Sie roch würzig und sehr gut.
Shen ließ sich mir gegenüber nieder und starrte auf meine Nasenwurzel. Keine Ahnung, was er dort zu erblicken hoffte, aber ich spürte, wie sich Ronas heiße Finger immer fester in meine Schultern bohrten. Allmählich tat das sogar weh.
Dann veränderte sich etwas mit meinem Sehvermögen. Statt Shen sah ich nur noch schimmernde Konturen vor mir. Erst war ihr Licht noch matt, doch mit jedem Herzschlag strahlten sie heller, bis sie mich schließlich so blendeten, dass ich die Augen schloss. Ich versuchte, den Schmerz in meinen Schläfen ebenso zu ignorieren wie das grelle Licht, das sogar durch die geschlossenen Lider drang, Rona, die mir etwas zuflüsterte …
Das Ganze endete so unvermittelt, wie es begonnen hatte. Am Himmel zog der Mond noch immer seine Bahn, es lärmten die Zikaden – bis sie plötzlich verstummten, als sei Haras letzter Tag angebrochen. Das Gras um uns herum vertrocknete, Shen war kreidebleich und schweißgebadet. Hätte er mit einem Blasgen auf dem Rücken zur Spitze des Grokh-ner-Tokh hinaufrennen müssen, er hätte nicht erbärmlicher aussehen können.
»Was ist?«, fragte ich aufgeregt. »Hat es geklappt?!«
»Das musst du mir sagen!«, erwiderte er müde und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
Sofort rief ich Lahen. Zehn lange Sekunden geschah nichts, doch dann hörte ich ganz leise:
»Meloth sei gepriesen! Endlich! Ich danke dir, Shen!
«
In meiner Begeisterung hätte ich beinahe Freudentänze aufgeführt. Noch ehe ich Shen von Lahen erzählen konnte, sagte dieser mit einem Strahlen, als hätte ich ihm
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