Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
erklärte der Priester, während er das Schwertgehänge anlegte. »Vor allem, wenn sie nicht mehr lange zu leben haben.«
»Darauf würde ich nicht hoffen!«, widersprach ich. »Die Sdisser sind zähe Burschen.«
»Und Meloth schickt all jenen Schnee, die stolz und heißen Herzens sind und ihm widersagen«, parierte Othor mit einem Spruch aus dem Buch der Schöpfung. »Und er lässt ihn auf sie rieseln, ihre Eitelkeit zu kühlen.«
»Sollte dieser Spruch wahr sein, wird es aber leider nicht bloß die Sdisser treffen«, erwiderte ich und setzte alles daran, nicht zu grinsen, denn meine Lippen waren durch die Kälte so spröde, dass sie bei dieser Bewegung sofort angefangen hätten zu bluten.
»Da hast du freilich recht, Ness. Meloth muss hier ein kleiner Fehler unterlaufen sein, fürchte ich, zumal dieses Schneegestöber schon wieder einsetzt.«
Fröstelnd kletterte der Priester die überfrorenen Stufen in den Innenhof hinunter, dabei immer wieder seinen Gott anrufend. Ich war ebenfalls der Ansicht, dass ich mich der Kälte inzwischen lange genug ausgesetzt und es mir verdient hatte, mich im Turm aufzuwärmen. Luk blieb als Einziger zurück.
In dem großen Raum saßen Mylord Rando, Yanar, Lartun und Shen vor dem Kamin und erörterten irgendeine Frage. Ihre Gesichter waren genauso hohlwangig und frostgerötet wie meins. Der Ye-arre machte einen geradezu erbärmlichen Eindruck. Da die Erkundungsflüge die Flatterer zu viel Kraft kosteten, hatte Rando es ihnen strikt untersagt, sich noch einmal in die Luft zu erheben.
Hier drinnen war es so warm und anheimelnd, dass mir immer wieder die Augen zufallen wollten. Tapfer kämpfte ich gegen die Müdigkeit an.
»Wie sieht’s aus?«, fragte Lartun.
»Unverändert«, antwortete ich und knöpfte die Jacke auf. »Othor legt allerdings etwas mehr Gottesfurcht an den Tag als sonst. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte uns eine Predigt von den Letzten Tagen gehalten.«
»Angeblich soll er behaupten, Meloths Hand werde die Sdisser hinwegfegen«, bemerkte Shen, der den Blick unverwandt in die Flammen hielt.
»Das Wetter ist zumindest auf unserer Seite«, sagte Yanar mit dünner Stimme. Selbst nach diesen wenigen Worten erlitt er sofort einen Hustenanfall. »Es kühlt die heißen Köpfe unserer Feinde. Sie werden es sich zweimal überlegen, ob sie die Burg stürmen.«
»Warten wir ab, was geschieht, wenn ihnen die Nekromanten zu Hilfe kommen. Sofern ihr Anführer kein Narr ist, hat er bereits einen Boten nach ihnen ausgeschickt«, gab Rando zu bedenken. »Meiner Ansicht nach ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Zauberer eintreffen.«
»Wohl eher eine Frage von mehreren Monaten, Mylord Rando«, hielt der Flatterer dagegen. »Bei diesem Wetter sind alle Pässe, die mehr als einen oder zwei Tagesritte von hier entfernt liegen, versperrt. Die Nekromanten sind aber auch nur Menschen, daran ändert nicht einmal ihr dunkler Funken etwas. Gegen die Naturgewalten sind sie genauso machtlos wie wir.«
»Was ist mit dem Schneeklan?«
»Der stellt nur eine Gefahr dar, wenn seine Angehörigen allesamt die Absicht hegen, mit dem Leben abzuschließen«, versicherte Yanar. »Bei einem solchen Wind bleiben selbst die Vögel in ihren Nestern und wagen sich nicht in die Luft.«
»Nur sitzen wir hier fest«, sagte ich. »Durchs Nordtor kommen wir beim besten Willen nicht weiter. Der Pfad dahinter ist völlig zugeschneit.«
Alle vier nickten.
»Vielleicht schlägt das Wetter ja plötzlich um, und es wird wärmer«, bemerkte Shen, der aber offenbar selbst nicht an seine Worte glaubte.
»Hoffst du auf ein Wunder?«, höhnte ich. »Warm wird es wieder in der Mitte des nächsten Frühlings.«
»Willst du damit etwa andeuten, dass wir noch vier Monate in diesem Loch hocken sollen?!«, entfuhr es Lartun.
»Schlimmstenfalls ja«, bestätigte ich und rieb mir über die noch immer kalten Wangen. »Obwohl einige behaupten, das Tauwetter setze hier bereits im letzten Wintermonat ein.«
»Und so ein Loch ist das auch gar nicht«, unterstützte mich der Ye-arre. »Die Burg ist wesentlich besser als eine Höhle oder eine Ruine, die noch aus der Zeit des Kriegs der Nekromanten stammt.«
»Wie ist es um deinen Funken bestellt?«, wollte Rando von Shen wissen.
»Er flackert immer mal auf, erlischt dann aber wieder«, gab dieser höchst ungern zu. »Noch bevor ich es schaffe, ihn überhaupt richtig anzufachen.«
Er musste all seine Kraft für die Behandlung der Verletzten drangeben. Ga-nor
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