Sturm im Elfenland
Sausen des geöffneten Tores so laut, dass es mich erstaunte, dass nicht auch meine Begleiter es vernahmen. Ich öffnete meine Augen und wies in die Richtung, aus der der infernalische Lärm kam.
Bevor wir die Stelle erreichten, ließ Auberon die Jäger absitzen und hieß sie zu warten.
Die Hütte, in der das Tor geöffnet worden war, schimmerte in einem giftigen Licht, dessen Farbe in den Augen schmerzte. Es war kein Schwarz, kein Gelb, kein Grün oder Rot, es war etwas von allem und noch Farben dazu, die kein elfisches Auge kannte. Mir wurde übel, und ich sah Auberons blassem Gesicht an, dass auch er mit seinem revoltierenden Magen kämpfte. Er kniff die Lippen zusammen und nickte mir zu.
»Du solltest dir etwas in die Ohren stopfen«, schrie ich über das Toben und Kreischen des Tores hinweg und suchte in meiner Tasche nach dem Wachs, um es ihm zu reichen.
»Und du?« Auberon begann es weich zu kneten.
Ich schüttelte den Kopf. Nichts wäre mir lieber gewesen, als die Ohren vor dem Schrecklichen zu verschließen, aber ich benötigte all meine Sinne, um meine Arbeit tun zu können.
Gehen wir, deutete ich stumm auf den Eingang.
Wir tauchten in das tobende, wirbelnde Innere der Hütte, und ich wusste, dass wir nicht mehr in unserer eigenen Welt waren. Dies hier war die Sphäre der Dämonen und von hier aus drangen sie in unsere Welt ein. Ich fragte mich, warum das Dorf noch so friedlich und offensichtlich unverändert unter dem Licht der Sterne lag ‒ die falschen Farben, verzerrten Umrisse und nervenzerfetzenden Klänge des Dämonenuniversums hätten doch längst über die Begrenzung dieser jämmerlichen Behausung hinausreichen müssen.
Dann dachte ich nichts mehr, denn vor mir stand das weit offene Dämonentor. Es war klein, viel kleiner als ich erwartet hatte, und gleichzeitig so stark, dass ich seine Kraftwellen wie eine gewaltige Brandung gegen mich prallen fühlte. Ich schnappte nach Luft, die verbrannt und ölig roch und sich wie ein schmieriger Film auf meine Zunge legte und in meine Nase stieg.
Meine Gedanken verlangsamten sich und wurden träge und dumpf. Das war die Auswirkung des Tores, die ich kannte und erwartet hatte. Ich musste mich zwingen, an meine nächsten Schritte zu denken. Erkennen, Beschwören, Bannen, Schließen, Heilen. Die fünf Stufen der ... der ... ich konnte mich nicht erinnern.
Erkennen.
Das Tor stand mitten im Raum. Seine Ränder waren scharf wie Rasierklingen, ein Loch in der Realität, durch das ich in eine verzerrte, den Verstand narrende, fremde Dimension blicken konnte. Das Tor war niedrig, es ging mir gerade bis zur Brust. Es würde sich erweitern, wenn die Wesenheiten von der anderen Seite herüberzudrängen begannen. Seine Umrisse würden aufreißen, unsere Wirklichkeit würde splittern und brechen und das Tor in diese fremde Welt immer weiter aufreißen. Mein Herz schlug schwer vor Mitleid und Angst. Kam ich noch rechtzeitig, um das Tor zu schließen?
Beschwören.
Ich hob meine Stimme über den wilden Gesang des Tores. Die Worte, die ich rief, gehörten zur Sprache der Dämonen, und jede einzelne misstönende Silbe zerfetzte meine Stimmbänder, zerriss meine Zunge und ließ meine Lippen bluten. Ich beschwor den König des Dämonenreiches, und das Funken sprühende Wort, das ich mit letzter Kraft ausstieß, war sein wahrer Name. Der Name fiel wie ein Stein in die glühende Dunkelheit des Tores und verglühte.
Bannen.
Ich hob meine Hand, die so schwer wog, als hingen Mühlsteine daran. Auberon war neben mich getreten und griff nach ihr, hielt sie fest. Seine Kraft floss durch mich hindurch, gab mir neuen Mut. Und diesen Mut brauchte ich dringend, denn nun musste ich den Herrscher der Dämonen so lange in Bann schlagen, wie ich benötigte, um das Tor zu schließen.
Ich atmete tief die metallische, kochend heiße Luft, die mir die Lungen zu verbrennen drohte. Heiß? Nein, sie war eisig kalt, so kalt, dass mein Atem zu Schnee wurde.
Mit letzter Kraft zog ich den Bannkreis und sprach die Worte, die ihn mit Macht erfüllten. Eine dunkel schimmernde Wand, in der ferne Gestirne funkelten, erhob sich und schloss uns ein ‒ das Tor, meinen König und mich. Es wurde still.
Schließen.
Ich vollendete den Bannkreis und versiegelte ihn mit meinem Leben.
Nun konnte uns nichts mehr retten. Wenn ich scheiterte, wenn die Heilung mir misslang, würden wir auf ewig eingeschlossen bleiben ‒ aber zumindest die Welt dort draußen war gerettet.
Heilen.
Einen Moment der
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