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 Sturm im Elfenland

Sturm im Elfenland

Titel: Sturm im Elfenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill,
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Lidern. »Hätte er das?«, fragte er mild. »Nun gut, es mag sein, dass meine Fähigkeiten sich nicht mit denen deines Vaters messen können. Aber immerhin, ich bin hier ...« Er ließ den Satz in der Schwebe. Ivaylos Gesicht rötete sich ein wenig.
    »Das war nicht nett, Erramun«, hörte Alana sich zu ihrer eigenen Überraschung sagen.
    Aindru, der dem Wortwechsel stumm gefolgt war, sah sie groß an. Alana presste die Lippen zusammen und sah auf den Tisch hinunter. Sie spürte, dass drei Augenpaare verblüfft auf ihr ruhten. Erramun räusperte sich. »Entschuldige, Ivaylo. Alana hat recht, das war nicht nett von mir.«
    Der Junge murmelte etwas, das Alana nicht verstand. Sie blinzelte zu ihm hinüber und sah, dass er starr auf das Buch in seinem Schoß niederblickte. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, dann hätte sie gedacht, er kämpfte mit den Tränen.
    »Was hätte ich also erkennen müssen, habe es in meiner Beschränktheit aber nicht getan?«, fragte Erramun nicht ohne eine gewisse Schärfe. Der Vergleich mit Ivaylos Vater schien ihn getroffen zu haben.
    Ivaylo zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht«, gab er knurrig zurück. »Ich bin kein Magier.« Er schloss den Mund und sah Erramun trotzig an.
    Der Lehrer legte die Hände um die Tischkante. Alana sah, dass er eine scharfe Erwiderung hinunterschluckte. Er nickte.
    Alle wandten sich wieder ihren vorherigen Tätigkeiten zu. Erramun erklärte Aindru, wie er die beschwörende Geste zu vollführen hatte, Ivaylo starrte in sein Buch ‒ Alana war sich sicher, dass er kein Wort von dem aufnahm, was er da las ‒, und Alana dachte über das nach, was sie gehört und gesehen hatte.
    Was meinte Ivaylo wohl damit, dass ihre Kraft blockiert sei? Und warum hatte er sie angesehen, wie er sie angesehen hatte? Sein Blick war nicht freundlich gewesen, aber auch nicht böse. Eher überrascht und interessiert. Beinahe so, als hätte er sie zum ersten Mal als eine Person wahrgenommen und nicht nur als eine Plage auf zwei Beinen. Erramun widmete sich wieder Aindrus Unterrichtung. Seine Anweisungen und Erklärungen klangen gereizt, anscheinend hatte der Wortwechsel mit Ivaylo ihm die Laune verdorben.
    »Nun stell dich nicht so ungeschickt an«, rief er aus und führte zum wiederholten Mal eine Geste vor, die Aindru mit steigender Nervosität nachzumachen versuchte.
    Alana lief es heiß und kalt über den Rücken. Etwas würde geschehen, etwas ... »Aindru«, rief sie aus, und im gleichen Augenblick schrie ihr Bruder laut und sprang so ungestüm auf, dass sein Stuhl zu Boden polterte. Erramun fluchte und erhob sich eilig. »Lass sehen«, sagte er. »Verdammt, Junge, lass mich sehen!«
    Aindrus linker Ärmel war zerfetzt, die Haut darunter stark gerötet, und quer über die Rötung zog sich ein tiefer, gezackter Riss, dessen Ränder geschwärzt waren. Es sah schlimm aus und Aindru war ganz blass um die Nase.
    Alana schlug die Hand vor den Mund, ihr war schwindelig und übel, als hätte sie sich gerade verletzt und nicht ihr Bruder.
    Erramun öffnete hastig Schranktüren und zog Schubladen auf und knallte sie wieder zu, während Aindru leise wimmernd dastand und den Arm von sich weghielt wie etwas, das ihm nicht gehörte. »Ich habe kein Zungenkraut mehr«, schimpfte der Lehrer. »Oder wenigstens Terkelsalbe.«
    »Meine Mutter hat welches«, stöhnte Aindru. »Ich weiß, wo sie es verwahrt. Erramun, das tut so weh!«
    Der Lehrer packte ihn wortlos an seinem gesunden Arm und zog ihn zur Tür. Sie flog auf und wieder zu, dann war es erneut still in der Bibliothek.
    Alana entließ einen langen, bebenden Seufzer. Ivaylo, der sie stumm beobachtet hatte, sagte: »Du hast es vorher gewusst.«
    »Was?«, fragte Alana, die immer noch über den Unfall nachdachte. Da war ein violetter Blitz gewesen, der sich mit einem bösartigen Summen in Aindrus Arm gebrannt hatte. Er war aus Aindrus Hand gekommen. Wie hatte das nur passieren können? Warum hatte Erramun nicht dafür gesorgt, dass nichts geschah? Wie konnte das, was sie hier lernten, so gefährlich sein? Wie konnten ihre Eltern das wollen?
    »Du hast gesehen, was passieren würde«, sagte Ivaylo geduldig. »Du hast seinen Namen gerufen, kurz bevor er diese kinderleichte Beschwörung versaut hat.«
    »Das ist doch Quatsch«, erwiderte Alana. »Wie soll ich das denn ...« Sie verstummte. Ivaylo hatte recht. Sie hatte gewusst, dass Aindru Gefahr drohte, und hatte ihn warnen wollen.
    Ivaylo lächelte. Alana zog die Brauen zusammen.

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